Unverhofft kommt oft: Ein ungeplantes Wiedersehen mit dem Südwesten im Juni 2023

Tag 22 (24.06.2023) - Zion National Park: Zion Traverse - West Rim Trail in den Zion Canyon

Am Beginn des West Rim Trails betrete ich nun bekanntes Terrain, denn es ist grad mal 1,5 Jahre her, das ich mit Tobi hier stand und die Wanderung angetreten habe. Allerdings früh morgens und wir hatten den ganzen Tag Zeit, ich hingegen laufe jetzt bereits in der Nachmittagssonne. Trotzdem setze ich mich hier erst einmal auf die Stufen und hole die Pause nach, die vorhin auf dem Wildcat Trail alles andere als erfolgreich war. Hier ist es weniger zugewachsen, dadurch fliegen auch weniger Viecher durch die Gegend und vor allem habe ich hier schwaches Internet und kann mal ein paar Nachrichten austauschen. Wer dagegen keine Verbindung zu haben scheint ist Marc, das heißt zumindest, dass er vermutlich irgendwo im Zion Canyon unterwegs ist und nicht an der Lodge Ich schicke ihm eine Nachricht und frage, ob er mir ein paar Nudeln aus dem Restaurant besorgen kann, für heute Abend

Ich sitze hier deutlich länger als ich sollte und so ist es bereits 16 Uhr, als ich auf der langen Passage durch den Wald unterwegs bin. Hier oben mag man noch gar nicht so richtig glauben, auf was für einem wunderschönen Trail man hier unterwegs ist und wie grandios die Aussichten gleich noch sein werden.Ich glaube nicht mehr, dass ich im Hellen unten ankomme, was auch meine Entscheidung eher in Richtung gegen Angels Landing bestärkt - aber das muss ich noch nicht jetzt entscheiden.

Eine halbe Stunde später sind mir die ersten Ausblicke vergönnt.

Die gehen allerdings genau so schnell wieder, wie sie gekommen sind Erneut geht es durch eine Graslandschaft, die man eher nicht im Zion vermuten würde. Es geht auch immer wieder ordentlich hoch und runter, so lang hatte ich diesen Abschnitt gar nicht mehr in Erinnerung, obwohl die Wanderung noch nicht lange her ist. Mag daran liegen, dass wir damals morgens taufrisch aus dem Shuttle ausgestiegen sind und voller Energie waren, während ich jetzt schon ca. 40 km in den Beinen habe

Gegen 17:30 Uhr bin ich endlich am schönsten Teil der Wanderung angekommen und ab sofort wird mich der Ausblick in den Zion Canyon auch bis zum Ende begleiten. So langsam merke ich auch, dass meine Füße anfangen zu schmerzen und ich eine weitere Pause nötig hätte. Die mache ich an der Stelle auf dem toten Baum dann auch, sogar die Schuhe und Socken ziehe ich eine Weile aus, um alles mal trocknen zu lassen. Das tut wahnsinnig gut, allerdings weiß ich auch aus Erfahrung, dass es bis zum Ende der Wanderung jetzt nicht mehr so richtig gut wird

Jaaaaaaa, jetzt ist halt auch schon 18:40 Uhr, das Licht wird langsam warm und die Schatten lang. Läuft bei mir! Übrigens habe ich weiterhin keine Menschenseele getroffen, seit der Wanderin im Hop Valley irgendwo bei km 16. Nicht einmal an den Zeltplätzen hier kann ich ein Zelt oder irgendein Lebenszeichen ausmachen, schon ein wenig komisch zur besten Jahreszeit.

Um 19:30 Uhr wird es dann aber doch langsam mal Zeit, dass ich in den Canyon komme und nicht mehr am Rim herumlaufe. Aber so ist das eben, ich habe ja noch ca. 1,5h bis Sonnenuntergang und jetzt heißt es eben ein wenig beeilen und Strecke machen.

Der Sonnenuntergang macht sich langsam warm, als der erste Wegweiser in Richtung The Grotto Trailhead auftaucht. Hier startet die Wanderung zu Angels Landing vom Canyon aus.

Der Trail ist ab dieser Stelle einfach nur noch schön, denn auf schmalen Wegen geht es jetzt über Slickrock geradewegs runter in den Canyon. Die Knie mussten heute schon einiges durchmachen, aber jetzt geht es fast nur noch bergab und selbst ich merke das langsam ganz gut, obwohl ich da eher wenig empfindlich bin. Schlimmer sind aber die Fußballen, die brennen einfach nur noch, jetzt auf dem harten Stein natürlich noch mehr als auf dem weichen Pfad zuvor.

Ist es nicht wunderschön hier? Mittlerweile sieht es auch wieder so aus, wie man es im Zion eben erwartet

In einer halben Stunde wird die Sonne endgültig untergegangen sein. Damit steht fest, dass ich es vorher nicht mehr auf Angels Landing hoch schaffen werde und in jedem Fall im stockdunklen wieder runterklettern müsste.

Auf die Minute genau zum Sonnenuntergang um 20:54 Uhr habe ich den ersten Blick auf Angels Landing.

Gegen 21 Uhr stehe ich dann am Scout Lookout und muss eine finale Entscheidung treffen... Die Ketten im Dämmerlicht nach oben und im dunklen nach unten? Ergibt das Sinn?

... Nicht wirklich. Die Dunkelheit würde mich nicht davon abhalten, ich bin immerhin auch schon weit vor Sonnenaufgang hochgeklettert, warum sollte es nicht umgekehrt auch abwärts funktionieren?! Nein, das ist es nicht. Aber ich war mittlerweile 4x auf Angels Landing, einmal mitten am Tag, 2x zum Sonnenaufgang und einmal zum Sonnenuntergang. Auch das ist nicht der Hauptgrund es heute nicht zu machen, immerhin bin ich einmal hier oben und habe mir die üblen Serpentinen und Walters Whiggles bergauf gespart. Es wäre aber einfach unvernünftig und gefährlich. Meine Füße tun ziemlich weh, aber vor allem bin ich inzwischen totmüde und kann meine Augen kaum noch aufhalten, dazu kommt die generelle Erschöpfung des Tages - es ist zu riskant. Ich sehe keinen Grund dieses unnötige Risiko einzugehen, nur um ein 5. mal oben zu stehen und nichts zu sehen, weil es eh dunkel ist.

Es geht also weiter bergab über die Walters Whiggles.

Wie immer in den USA wird es erstaunlich schnell erstaunlich dunkel und als ich um 21:30 durch den Refrigerator Canyon durch bin und die letzten Serpentinen nach unten laufe, ist es fast schon rabenschwarze Nacht.

Um 22 Uhr gehe ich schließlich über die Brücke am Virgin River und komme am Grotto Trailhead hat.

Natürlich fährt um diese Uhrzeit schon lange kein Shuttle mehr. Damit habe ich bereits bei der Planung gerechnet und aus diesem Grund kam für die heutige Nacht nichts anderes als die Zion Lodge in Frage. Die ist nämlich nur eine Haltestelle weiter und kann vom Trailhead problemlos zu Fuß erreicht werden. Es bedeutet ca. 1km mehr über den Scenic Drive, der macht nach dieser Wanderung nun wirklich keinen Unterschied mehr.

Marc erwartet mich an der Autoeinfahrt zur Lodge, nimmt mir meine Wanderstöcke ab und geleitet mich zur Cabin, in die er schon vor Stunden eingecheckt hat. Ich lasse mich einfach nur noch in den Sessel fallen mit einem kühlen Getränk und schaue mir die Statistik der heutigen Wanderung an. Ein bisschen stolz bin ich ja schon!

Nach einer kurzen Pause quäle ich mich schnell unter die Dusche, während Marc mir meine Linguine - die er mir wirklich besorgt hat - in zwei Ladungen in der Mikrowelle warm macht, weil die Schüssel zu klein für alles auf einmal ist Das tut gut um kurz vor 23 Uhr

Danach geht es auch ohne Umwege in's Bett, was für ein Tag!

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reh