Tag 10 (07.05.2024) - Big Bend National Park: Chisos Mountains Loop - Sunrise und Pinnacles Trail
Die Nacht ist durchwachsen. Grundsätzlich schlafe ich etwas besser als die letzten Nächte, zumindest, wenn ich dann mal schlafe. Die meiste Zeit habe ich allerdings ein Temperaturproblem, weil es komplett auf dem Schlafsack manchmal zu kühl ist, ich aber sofort klatschnass geschwitzte Beine habe, wenn ich sie UNTER dem Schlafsack parke. Der ist für so sommerliche Verhältnisse einfach nicht ausgelegt, daher ist es schwer einen Mittelweg zu finden. Außerdem hält der penetrante Schnarcher in meiner Nachbarschaft auch nicht einmal für zwei Minuten zwischendurch seine Klappe und es gibt Nachts nichts und ich meine NICHTS was mich aggressiver macht als Schnarchen. Vor allem wenn es so ein lautes Sägewerk ist, dass ich annehmen muss, der Kerl liegt direkt neben meinem Ohr.
Heute steht eine große Wanderung auf dem Plan, dann eine längere Mittagspause und gegen Abend möchte ich einmal den Trail ausprobieren, der direkt vom Campground aus zum Window geht. Zunächst aber steht eine 24 km Runde mit ca. 1000 Höhenmetern auf dem Programm, eine Route, die ich mir mit dem Routenplaner von Alltrails selbst zusammen bauen musste. Die Trails sind alle vorhanden, aber den großen, von mir gewünschten, Loop gibt es nicht als fertigen Vorschlag. Es soll eine große Runde durch die Chisos Mountains gehen, inkl. Abstecher auf den Emory Peak, den höchsten Gipfel dieses Gebirges mit einer Höhe von 2.385 m.
Loslaufen wollte ich ursprünglich erst zum Sonnenaufgang, aber dieses ätzende Geschnarche geht mir so auf den Wecker, dass ich bereits um 05:30 Uhr im Auto sitze und die kurze Strecke zur Lodge hochfahre.
Hier oben nutze ich die Ruhe und das Waschhaus des Visitor Centers, außerdem beschäftige ich mich eine ganze Zeit lang mit dem WLAN. Gegen 06:15 Uhr dämmert es langsam und ein toller Sonnenaufgang kündigt sich an.
So früh wie ich oben war hätte ich gedacht, dass ich vielleicht doch eine halbe Stunde eher loskomme als geplant, allerdings nutze ich die gesamte Zeit um mit Matze zu schreiben, die Gelegenheiten sind momentan ja eher selten - außerdem trinke ich in Ruhe meinen Orangensaft, anstatt ihn mitzuschleppen. Mitschleppen würde ich hingegen gerne meine Banane, allerdings reiße ich sie beim Trennen von ihren Artgenossen versehentlich auf, so dass ich auch sie an Ort und Stelle verspeisen muss Im Rucksack landen dafür aber der Iso Drink, mein geschmiertes Brot und so ein Beef Stick. So bleibt es beim Plan, der auch in der Reisebibel niedergeschrieben steht: Loslaufen um Punkt 7 Uhr. Die ersten paar Meter sind die gleichen wie gestern, als ich zum Sonnenuntergang durch das Window geschaut habe.
Meine geplante Runde ist mehr oder weniger der South Rim Loop, allerdings mit dem ein oder anderen Abstecher.
Irgendwie hatte ich weder auf dem Schirm, dass es hier Bären gibt, noch Pumas. Aber gut, für irgendwas müssen die Bärenboxen auf dem Campground ja gut sein Aber wir wissen ja alle was diese Schilder bewirken: Sie verhindern, dass man die abgebildeten Tiere wirklich zu Gesicht bekommt, von daher mache ich mir keinerlei Sorgen
Mit Schwarzbären auf dem Trail habe ich ja ohnehin schon Erfahrung und wer trifft schon auf einen scheuen Puma.
Jetzt bin ich offiziell auf dem Trail und es geht auch vom ersten Moment an gut bergauf, allerdings eher moderat und vor allem sehr angenehm gleichmäßig, so dass ich schnell einen passenden Takt finde und gut voran komme, ohne das es anstrengend wird. Der Himmel verfärbt sich derweil und macht sich bereit für den in Kürze bevorstehenden Sonnenaufgang.
Hier ein etwas anderer Blick durch das Window hinter mir.
Und hier die Berge vor mir, die langsam und schüchtern anfangen zu leuchten. Das große Glühen wird es heute leider nicht geben, denn es sind einige dünne Schleierwolken unterwegs, die sich direkt vor die Sonne geschoben haben.
Zuerst soll es auf den Emory Peak gehen!
Na also, ein bisschen was passiert dann doch noch Mit so einem schönen Sonnenaufgang habe ich nicht mehr gerechnet und wieder einmal ist das schönste daran, dass ich ihn komplett für mich habe. Unten am Window Viewpoint an der Lodge wird es anders aussehen, aber auf den Trail scheint sich außer mir noch niemand verirrt zu haben.
Hier oben, prominent mittig und angeleuchtet, sehen wir übrigens den Emory Peak, auf den es jetzt geht.
Menschen habe ich zwar noch keine getroffen, auch keine Bären und Pumas, aber dafür kleineres Wildlife.
Mittlerweile bin ich hoch genug für einen freien Blick durch das Window, welches die Sicht auf die tiefer liegende Wüste frei gibt. Irgendwo da unten bin ich gestern bei 38°C im Schatten durch die Nachmittagssonne gewandert Grad kann ich es gar nicht glauben, denn durch den Wolkenschleier vor der Sonne ist es noch verhältnismäßig kühl. Also... Kühl für die Jahreszeit, für die Gegend und für mein gestörtes Temperaturempfinden, für viele wird es vermutlich auch jetzt schon fast zu warm zum wandern sein
Jetzt begegne ich doch den ersten Menschen. Es handelt sich um ein älteres Paar, das sehr langsam unterwegs ist und schon jetzt irgendwie nicht mehr ganz so fit aussieht. Ich frage ob alles in Ordnung ist und bekomme eine positive Antwort - dann wollen wir das mal glauben und dran vorbei ziehen. Diese Stelle hier ist aber auch ein klein wenig anstrengender, wie immer bei Treppenstufen.
Nach knapp einer Stunde Wanderung bekomme ich eine kurze Verschnaufpause vom Anstieg und befinde mich auf einer weiten, flachen Ebene. Hier stehen Schilder, dass ich mich in einer besonders frequentierten Gegend aufhalte, was Bärensichtungen angeht und außerdem ist noch früh am morgen, eine Tageszeit, in der eine Sichtung sehr viel wahrscheinlicher ist als später in der Nachmittagshitze. Jedes knacken der Äste, jedes rascheln der Blätter und jede kleinste Bewegung im Unterholz (die sowieso zu 100% von Vögeln oder kleinen Echsen stammen) wird gruselig und zu einem potenziellen Bären Gerade wenn noch so wenig Menschen unterwegs sind ist die Anspannung schon irgendwie da, aber natürlich sehe ich nichts und niemanden.
Etwas skurril finde ich, dass hier schon mehrere Backpacking Campgrounds ausgeschildert sind, deren Sites sich hier in unmittelbarer Nähe befinden. Camping in der Wildnis in Kombination mit wandern ist ja schön und gut, kann ich irgendwie nachvollziehen, aber wer hat denn Bock 2km von der Lodge, dem Campground und der gesamten Infrastruktur entfernt im Wald zu pennen? Was hat denn das für einen Sinn? Mit dem Gefühl von Wildnis hat das ja jetzt noch nicht unbedingt viel zu tun. Naja... Immerhin hat man hier vermutlich seine Ruhe und wird nicht von irgendwelchen Schnarchnasen gestört. Das Argument lasse ich gelten, aber das liegt auch nur an dem kack Chisos Basin Campground.
Naja weiter geht's, mittlerweile wieder mit leichtem Anstieg.
Die Sonne hängt die ganze Zeit noch an der gegenüberliegenden Bergseite und ich laufe wirklich lange im Schatten. Das lässt meinen Puls zumindest ungewöhnlich tief bleiben und bisher ist das Ganze eher ein entspannter Spaziergang. Durch die geringe Anstrenung merke ich gar nicht, wie viele Höhenmeter ich eigentlich schon hinter mich gebracht habe, das verrät mir dann die immer besser werdende Aussicht.
Schön ist auch der Kontrast zu den Wanderungen gestern. War ich da noch in der kargen Wüste unterwegs, wo nur hin und wieder mal ein Kaktus stand, so komme ich jetzt durch richtig bewaldete Gebiete. Ich mag so eine tolle Abwechslung innerhalb des gleichen National Parks! Das, was ich jetzt hier sehe, hatte ich vom Big Bend nämlich gar nicht so richtig auf dem Schirm bevor ich mich damit beschäftigt habe, weil man meistens nur die Wüstenabschnitte und die Canyons am Rio Grande zu sehen bekommt.
Hier auch mal welche der namensgebenden Pinnacles. Zur Erinnerung... Wir befinden uns auf dem Pinnacles Trail
Nach rund 5 Kilometern erreiche ich die Kreuzung, an der der Pinnacles Trail endet. Hier kann ich nun entweder dem Boot Canyon Trail weiter folgen oder in die Sackgasse auf den Emory Peak wandern. Natürlich mache ich - wie geplant - erst einmal letzteres, von hier aus sind es noch 3 km bis auf den Gipfel.
Ganz cool ist, dass sich hier an der Kreuzung Bärenboxen befinden, die jedem zur Verfügung stehen, der seinen Rucksack hier lassen und nicht mit auf den Gipfel schleppen will. Da ich keine besonderen Horrorgeschichten über den Weg nach oben gelesen habe und auch das Höhenprofil des Tracks nicht komplett wahnsinnig aussieht, entscheide ich mich allerdings dagegen. Der Rucksack ist den ganzen Tag auf meinem Rücken, da schaden die 6 km auch nichts, außerdem wollte ich auf dem Gipfel gern mein 2. Frühstück zu mir nehmen.
Dann wollen wir mal!