Tag 21 (30.05.2018): Zion National Park - Angels Landing zum Sonnenuntergang
Es ist mal wieder so weit. Keine Südwest Reise ohne den Zion National Park und kein Besuch des Zion National Parks ohne Angels Landing. Tagsüber und zum Sonnenaufgang kenne ich bereits, heute ist der Sonnenuntergang an der Reihe. Fehlt ja eigentlich nur noch... Nee, lassen wir das. Also. Sonnenuntergang.
Um 18:15 überquere ich den Virgin River und betrete den West Rim Trail, der bis bis zum Scout Lookout führen wird - mal wieder.
Angels Landing liegt - mit Ausnahme einer kleinen Spitze - bereits komplett im Schatten und mir ist klar, das ich oben nichts mehr vom Sonnenuntergang mitbekommen werde. Dafür bin ich wohl zu spät losgegangen... Schade, ich hätte gerne gesehen, wie die Sonne hinter den Bergen verschwindet, aber das ist kein Grund jetzt umzukehren.
Zuerst verläuft der West Rim Trail freundlich und idyllisch am Virgin River entlang, der Untergrund ist sandig und angenehm zu laufen. Es kommen mir nur sehr wenige Leute entgegen, zwei nett aussehende Wanderer quatsche ich daraufhin einfach mal hoffnungsvoll an: "Is it still crowdy?" - "No, it isn't". Das ist sie, die Antwort auf die ich gehofft hatte, denn ich habe keinerlei Interesse mir den Grat mit vielen anderen Leuten zu teilen.
Der Sand wechselt zu Asphalt und in dem Moment beginnt auch die brutale Steigung vom West Rim Trail. Was einigermaßen erträglich los geht, wird hinter jeder Kurve steiler und steiler bis man irgendwann das Gefühl hat gleich nach hinten überzukippen. DIESE VERKACKTEN SERPENTINEN! Ich bin in Fluch-Laune, denn es ist noch immer tierisch heiß, meine Beine sind müde und außerdem habe ich Seitenstiche wegen diesem bescheuerten Burger, den ich mir kurz vorher noch reingedrückt hab... voll clever!
Der Refrigerator Canyon kommt mir da grad recht... Hier wird es wieder so gut wie flach, was eine Wohltat zwischendurch und kühler ist es hier auch merklich - sagt ja schon der Name.
Vollkommen fertig komme ich am 2. Horror der Strecke an und der heißt Walter's Whiggles. Wer ist eigentlich dieser Walter? Nun, es gibt zwei Möglichkeiten, eine davon entspricht der Realität, die andere ist eher ein Gedanke, der mir spontan in den Kopf schießt.
a) Walter ist ein sehr verbitterter alter Mann, der grundsätzlich Menschen hasst. Daher hat er eine neue Foltermethode entwickeln wollen, die alle Menschen an den Rand der Verzweiflung bringen wird: Es war die Geburtsstunde der Walters Whiggles und jetzt hasst nicht nur Walter alle Menschen, sondern auch alle Menschen Walter.
b) Walter war vor langer Zeit einmal im Park beschäftigt und wollte diesen besonderen Ort, der bis dahin so unerreichbar war, das nur die Engel dort landen konnten, für die breite Masse erschließen und zugänglich machen. Es war die Geburtsstunde der Walters Whiggles und dank ihm können die zahlreichen Besucher des Parks nun die Aussicht von Angels Landing genießen.
... Ich glaube ich bin für einen Kompromiss aus diesen beiden Geschichten. Ich habe übrigens nachgezählt, während ich mich fluchend die Kurven hochgeschleppt habe, es sind 19 an der Zahl! Die sind zwar kurz, dafür aber bestialisch steil.
Um 19 Uhr erreiche ich nach 45 Minuten Laufzeit den Scout Lookout, die letzte Abfahrt vor der Autobahn in Richtung Angels Landing. Zumindest ist das normalerweise so, denn der Trail den Grat hinauf gleicht inzwischen eher einer menschlichen Ameisenstraße als einem National Park Trail - ein weiterer Vorteil der Lodge Übernachtung, ich kann auf den letzten Shuttle zurück pfeifen. Hier kommen mir zwei Wanderer entgegen, die eine Mehrtageswanderung auf dem West Rim Trail hinter sich haben. Die beiden haben so einiges zu erzählen und währenddessen schlüpfe ich schon einmal in meine Handschuhe.
Es wird Zeit. Zeit für den Grat!
Ich komme eigentlich ganz zügig voran, es ist nicht so heftig wie im Winter. Damals habe ich mich viel mehr beeilen müssen wegen des bevorstehenden Sonnenaufgangs und außerdem war ich ziemlich erkältet. Das geht jetzt alles leichter von der Hand, auch erschreckt mich der Abgrund rechts und links von mir nicht mehr so sehr - irgendwie lernt man die Strecke kennen. Dafür ist es eben sehr viel heißer als 6 Monate zuvor und ich komme ordentlich ins Schwitzen.
Vereinzelt kommen mir immer mal wieder ein paar Leute entgegen, die meiste Zeit sehe ich aber absolut niemanden. Dafür bin ich sehr dankbar, denn ich habe ja heute Morgen vom Observation Point aus gesehen was hier los war. Jeder der mir entgegen kommt fragt mich, ob ich die Uhrzeit vom letzten Shuttle im Blick habe und das ich so langsam drehen müsste, um diesen noch zu erreichen. Ja, ich habe die Zeit im Kopf, aber die Zeit interessiert mich einen feuchten Dreck 
Um 19:55 Uhr bin ich oben! Alleine! Vollkommen alleine!
Ich setze mich hin und gönne mir erst einmal eine eiskalte Dose Mountain Dew. Das Bild geht auch per Whats App an ein paar Freunde und ich bekomme von Stefan sofort ein Bild von einem Bier zurück... Aber bei Angels Landing ist Alkoholfrei laut ihm wohl in Ordnung. Da habe ich ja nochmal Glück gehabt!
Ich genieße ein wenig die Stimmung... Es ist einfach wieder atemberaubend schön hier alleine sein zu dürfen... Noch ein Punkt mehr, warum sich die Übernachtung in der Lodge zu 100% gelohnt hat. Wer kann schon behaupten diesen Ort heutzutage noch für sich alleine gehabt zu haben. Ich habe es gleich 2x innerhalb eines halben Jahres geschafft.
Allzu lange bleibe ich jetzt aber nicht mehr oben, insgesamt nur ca. 20 Minuten. Ich warte nicht mehr bis zum endgültigen Sonnenuntergang, denn nun sitzt mir die Zeit natürlich ein bisschen im Nacken. Zwar habe ich eine Stirnlampe dabei, aber ich habe meiner Mutter versprochen, das ich vom Grat runter bin bevor es ganz dunkel ist.
Kaum habe ich mit dem Abstieg begonnen kommen mir sogar noch zwei kleine Grüppchen entgegen, sehr gut abgepasst würde ich sagen. Der Abstieg geht flott vonstatten und ich habe kaum noch mit der Höhenangst zu kämpfen. Auch wenn man schon öfter hier war, die Vorsicht und die Konzentration sollten niemals nachlassen, egal wie gut man glaubt den Trail zu kennen.
Angels Landing Chain Porn...
Hier ist wieder der tolle Absatz, den ich ohne die Ketten aufgrund meiner Größe nicht bewerkstelligen könnte... Immerhin habe ich genug Kraft in den Armen und kann mich hier hochziehen.
Kurz vor Ende des Grats überhole ich eine junge Frau mit ihrer Tochter, das Kind ist vielleicht grad mal 6 und wollte unbedingt weiter gehen. Die Mutter ist jetzt schwer im Stress, denn die beiden haben das Ziel, den letzten Shuttle noch zu erreichen - sehr ambitioniert wie ich finde. Am Scout Lookout wartet der Vater, der aufgrund von Höhenangst nicht mitgekommen ist. Als die Familie wieder beisammen ist überholen sie mich wieder und fangen an die Whiggles runter zu joggen... Okay?! Ich wollte grad angeboten haben die 3 vom der Lodge aus eben zum Visitor Center zu fahren, denn für den Bus sollte es zu spät sein. Aber so schnell wie die weg waren... Kann ich ja immer noch anbieten, wenn ich die drei unten wieder treffe.
Ich beeile mich nun aber auch, denn es wird flott dunkel.
Bis kurz vor der Brücke über den Virgin River brauche ich kein Licht, dann aber muss ich die Stirnlampe doch noch an machen. Ich sehe tatsächlich den letzten Shuttle Bus anrollen und renne los - ich springe über die Brücke und stürme in den Bus, denn wenn der jetzt schon mal da ist... muss ich auch nicht mehr unbedingt zur Lodge zurück laufen. Da kann man Angels Landing ja doch leer erleben, auch ohne Übernachtung im Park... Aber ob man sich darauf verlassen kann diesen Shuttle dann noch zu bekommen? Wohl eher nicht.
Trailfakten:
Länge: 5.34 Meilen / 8,6 km
Dauer: Ca. 3h (inkl. 20 Minuten Pause auf Angels Landing), normal sind eher 4h
Erreichbarkeit: Befestigt, Shuttlebus (Haltestelle The Grotto) im Sommer, Auto im Winter
Einstufung Schwierigkeit: Strenuous
Kosten: 35 $ oder Jahreskarte
Fazit: Angels Landing halt... Auf die Gefahr hin mich zu wiederholen, ich liebe diese Wanderung und es wird immer eine meiner liebsten bleiben. Leider ist es schwierig geworden, sich das Erlebnis nicht mit massenweise anderen Menschen teilen zu müssen.
Um 21:30 Uhr bin ich schließlich zurück auf dem Zimmer, schicke das Video an Dominik raus, futtere noch ein paar Nachos mit Dip (Nein, die Tüte ist noch immer nicht leer) und gehe dann auch schlafen. Gute Nacht!
Highlight des Tages: Die Ruhe im Zion, sowohl beim Observation Point, als auch bei Angels Landing
Lowlight des Tages: Das geschlossene Postamt und der Burger
Wetter: 37°C
Gelaufene km: 28,1 km
Gefahrene km: 16 km