Tag 08 (10.06.2023) - Organ Pipe Cactus National Monument: Der Aufstieg zur Bull Pasture
Die Nacht war so viel besser als unser erster Camping Versuch auf dem Jumbo Rocks Campground, denn die Temperaturen sind überhaupt nicht miteinander zu vergleichen. Diesmal konnte ich die "Tür" vom Zelt offen lassen und habe nur das Fliegengitter verschlossen, da es ansonsten zu heiß und stickig im Zelt geworden wäre - so war optimal. Das hätte ich jetzt gerne immer so für den Rest des Urlaubs! Spoiler: Es wird nicht immer so sein, für den Rest des Urlaubs
Der Wecker klingt, wie geplant, um 04:15 Uhr und ich darf euch so gleich das heutige Gebrechen präsentieren, das aus der langen Liste von potenziellen Möglichkeiten für diesen Tag auserwählt wurde: Knieschmerzen. Optimal bei der Steigung, die wir gleich bewältigen wollen. Einerseits freue ich mich sogar mittlerweile ein bisschen gleich alleine losgehen zu können, andererseits ist auch die nun folgende Wanderung eines meiner Highlights, das ich nur für ihn ein weiteres mal eingebaut habe. Was soll's. Er steht dann aber kurz mit mir auf um zum Klo zu gehen und stellt dabei fest, dass es doch nicht so doll weh tut, wie er liegend im Zelt erwartet hatte. Er will nun doch mit. Der Campground ist auch am frühen Morgen genau so einsam und verlassen, wie er es schon gestern Abend war, auch über Nacht ist also tatsächlich kein 2. Auto dazu gekommen und wir haben hier völlig alleine geschlafen... abgefahren. Das erlebt man mit Sicherheit auch nicht allzu häufig.
Die Unordnung im Auto, speziell im Kofferraum, geht mir so dermaßen auf die Nerven, dass ich in der Dunkelheit jetzt keine Lust habe mir irgendwelche Klamotten aus dem Koffer zu suchen und mich umzuziehen. Kurzerhand setze ich mich also einfach in meinen Schlafklamotten an's Steuer, Marc tut es mir auf dem Beifahrersitz gleich. Ich nehme schwer an (und hoffe), dass sich auch am Trailhead gleich niemand außer uns befindet und wir uns dort in Ruhe umziehen können.
Ich trinke meinen ersten Orangensaft während der Fahrt, als wir zunächst wieder runter zum Visitor Center fahren und von dort aus geradeaus durch auf den Ajo Mountain Drive, eine der beiden Loop Roads des Parks. Unbefestigt - bis auf kurze Abschnitte - sind sie beide, hierbei handelt es sich aber sowohl um den deutlich kürzeren, als auch einfacher zu fahrenden Loop. Noch ist es ziemlich dunkel, die Silhouetten der Saguaros heben sich aber wunderbar von der schwarzen Landschaft ab, ich liebe das!
Besonders in der Dunkelheit zieht sich der Drive natürlich, aber irgendwie ist er auch deutlich cooler, als ich ihn in Erinnerung habe. Mittlerweile wird es auch langsam aber sicher heller, so das man immer mehr von den tollen Bergen erkennen kann. Bald ist auch der riesige Arch zu sehen, der oben drauf noch einen weiteren Mini Arch trägt. Man kann zu ihm hochklettern, auf einem primitive Trail, leider hatte ich dazu bisher aber noch keine Gelegenheit und so steht diese Unternehmung weiterhin auf meiner Liste. Es wird wohl ewig ein Rätsel bleiben, warum ich das nicht bei meiner Solo Tour 2019 gemacht habe, als ich unendlich Zeit für diesen Park hatte. Vermutlich hatte ich nach dem 10 Miles Mine Loop die Schnauze voll
Wenig später erreichen wir den Trailhead vom Estes Canyon inklusive einer kleinen Picknick Area und wie erwartet ist außer uns natürlich noch niemand hier. So können wir uns ganz in Ruhe umziehen und entscheiden uns hier auch beide gegen die Trailrunning Schuhe und für die hohen Wanderstiefel, der Weg ist steil und stellenweise sehr uneben, da kann das nicht schaden. Wir sind pünktlich fertig, als die Sonne grad aufgeht und die ersten Bergzipfel sanft anleuchtet.
Wir schauen ins Trailregister und es ist... leer. Entweder das Papier wurde unmittelbar vor unserer Ankunft ausgetauscht oder es war schon lange keine Menschenseele mehr hier... Das kann ich nun aber nicht so recht glauben, immerhin ist das - meiner Meinung nach - mit Abstand die schönste Wanderung im Park. Wir tragen uns mal ein, damit das nicht ganz so traurig aussieht
Hier blühen die Kakteen noch mehr als in der Gegend um Yuma und den Joshua Tree, vermutlich aufgrund der höheren Lage.
Wir werden (hoffentlich) den Loop laufen: Zuerst hoch auf die Bull Pasture, damit wir den steilen Aufstieg noch im Schatten absolvieren können und den Rückweg laufen wir durch den hübschen Estes Canyon.
Plötzlich legt Marc eine Vollbremsung neben einem besonders buschartigen und stacheligen Kaktus ein, ob ich sowas denn nicht sehen würde. Hä? Was denn? Na, wer sieht was?? Wobei das unfair ist, ihr wisst jetzt zumindest, dass es etwas zu sehen geben KÖNNTE. Wie man sowas aber im vorbeigehen realisieren kann, wird für mich ein ewiges Rätsel bleiben. Das könnte natürlich auch der Grund sein, warum ich immer so viel "Pech" mit Tiersichtungen habe. Wer weiß, wie viele Tiere ich schon unbewusst gesichtet habe
Okok, ich zoome mal ran! Hier ist er, der hübsche Freund!
Während die Sonne immer höher steigt und mehr von der Landschaft anstrahlt, starten wir den beschwerlichen, kontinuierlichen Anstieg zur Bull Pasture.
Ich gehe vor und zwar extra langsam. Früher bin ich bergauf immer viel zu schnell gelaufen mit dem Ergebnis, dass ich nach fünf Minuten keine Luft mehr hatte und alle paar Meter stehen bleiben musste. Langsam und stetig lautet aber das Zauberwort und unterm Strich kommt man - durch die fehlenden Pausen - nicht nur schneller vorwärts, man stirbt auch nicht komplett dabei. Marc zwinge ich auf diese Weise, den Anfängerfehler nicht auch zu machen.
Selbst die Saguaros blühen hier oben ganz vereinzelt noch, Mitte Juni ist dafür ganz schön spät und somit habe ich nicht damit gerechnet. 2018 waren wir zur Peak Zeit hier und das war Mitte Mai.
Was ein toller An(und Aus)blick! Ich liebe diesen Trail einfach, bisher ist er mein absoluter Favorit in Südarizona
Wir kommen erwartungsgemäß nur extrem langsam vorwärts, denn trotz des Schleichgangs müssen wir immer wieder Pausen für Marc einlegen. Dank der frühen Uhrzeit und des Schattens klappt es insgesamt aber deutlich besser als ich befürchtet hatte. Insbesondere nach den ersten Urlaubstagen war ich mir eigentlich sicher, dass ich mir solche gemeinsamen Wanderungen komplett abschminken kann.
Bald kommen wir an die Trailmarkierung, die uns entweder runter in den Estes Canyon schickt, oder nach oben zur Bull Pasture. Zwar haben wir hier schon den größeren Teil der Entfernung hinter uns, ich weiß aber, dass der Rest bis zum Gipfel nochmal deutlich steiler und anstrengender wird. An der Stelle ziehe ich jetzt erstmal meine dünne Laufjacke aus, in der ich bisher noch unterwegs war. Eigentlich ist das schon länger überfällig, aber ich hatte keine Lust meinen Rucksack dafür abzusetzen.
Die Sonne erreicht die ersten Zipfel unserer Felswand. Wir liegen gut in der Zeit, hauptsache, wir schaffen es nach oben, solange der Trail noch im Schatten liegt. Solange bleibe ich optimistisch, dass wir ankommen werden.
Im Schatten erkennt man es nicht so gut, aber auch hier haben die Felsen allerhand verschiedener Farben.
Der restliche Weg nach oben zieht sich mehr, als ich es in Erinnerung hatte, dafür ist es deutlich weniger steil und anstrengend. Das hat mehrere Gründe, zum einen bin ich sehr viel fitter als bei meinem letzten Besuch im Jahr 2018 und noch dazu sind wir deutlich langsamer unterwegs als ich es mit meiner Mutter war. Ich schwitze nicht und meine Apple Watch zeigt mir einen Puls zwischen 90 und 120 an, was ich eigentlich gar nicht glauben kann. Normalerweise bin ich beim zügigen Spazierengehen im Flachland bei 130-140... Entweder ich vertrage die Luft in Südarizona viel besser, oder aber wir kommen tatsächlich so gut wie nicht von der Stelle Egal. Wir haben heute keinen Zeitdruck und in dieser wunderhübschen Umgebung kann man auch mal in der Gegend herum stehen - zumal wir das alleine tun und keine anderen Menschen nerven.
Einiges an Höhenmetern haben wir schon bewältigt und Marc schlägt sich tapfer!
Ich habe ja lange überlegt ob ich dieses Meisterwerk von Foto posten soll, aber ich sterbe einfach jedesmal vor lachen wenn ich es sehe und diese Möglichkeit möchte ich euch eigentlich nicht vorenthalten
Marc wird auch immer langsamer und schnauft inzwischen schon bedenklich, hat aber noch immer den Willen oben anzukommen und so kämpfen wir uns allmählich zum Gipfel vor. Die Aussicht bietet aber auch immer wieder tolle Gelegenheiten kurz anzuhalten und den Blick in die Ferne schweifen zu lassen. Ganz nach dem Motto "Natürlich kann ich noch, aber ich möchte gerne mal gucken"
Ein neuer, lebendiger Organ Pipe in einem abgestorbenen Organ Pipe. Sieht auch cool aus!
Almost there... Puh ist das warm, jetzt wo unsere Oberkörper in der Sonne unterwegs sind.
Glücklich und zufrieden kommen wir beide an der Bull Pasture an - Man könnte hier sogar noch weitergehen, keine Ahnung wo man dann auskommt, aber heute werde ich das wohl auch nicht herausfinden. Ich glaube, wenn ich den Trail hier spontan erweitere und wir am Schluss wieder zurück hier hoch müssen, bekomme ich Schläge Vielleicht schaue ich mir das irgendwann mal bei dem Besuch an, bei dem ich auch in den Arch klettern werde
Von hier oben kann man die Grenzmauer nach Mexiko sehen...
Der Blick in die andere Richtung ist schöner!
Glücklich über den Erfolg!
Mal sehen wie der Abstieg wird... Die Sonne kommt immer mehr rum und es ist wirklich ein steiler, anstrengender Weg, bei dem man permanent konzentriert bleiben muss. Ich hoffe, Marcs Knie halten, gut, dass er die Stöcke mit hat.