Mit den letzten Sonnenstrahlen fahre ich zurück nach Munising. Ich würde ja sagen, dass mich der Hunger ruft, aber das wäre gelogen. Einerseits habe ich ja gerade erst bei Leo und Lori gegessen, andererseits will ich mich auch nicht mit der dicken zwanziglagigen Winterkleidung in einem Restaurant einen Hitzetod sterben .
Nach Downtown geht es dennoch, einen Punkt habe ich noch offen, nämlich den örtlichen Souvenirladen. Nicht weil ich etwas kaufen will, nein, ich weiß um ehrlich zu sein nicht mal ob geöffnet ist, sondern viel eher wegen des Namens. Michigan, wie so ziemlich alle nördlichen Bundesstaaten der USA, wurde in der Vergangenheit oft die neue Heimat von ausgewanderten Deutschen und das sieht man hier nicht nur in der Benamung von Orten, nein auch Gebäude werden ganz gern mal eingedeutscht.
Wenn man nun aber mittels des englischen Begriffes zeigen will was verkauft wird und mit einem deutschen Namen ein wenig Heritage hineinbringen mag, dann kann das wie überall auf der Welt zu recht skurrilen Wortkombinationen führen, so auch hier.
Darf ich vorstellen: Das Gift Haus .
Ich mache noch ein paar weitere Fotos des verschneiten Ortskerns
und fahre dann in mein Holiday Inn.
Auf dem Parkplatz dann noch ein weiteres Marshallfoto, im Sonnenuntergang kann ich einfach nicht anders!
An der Rezeption melde ich mich artig zurück, möchte ja keinen sündhaft teuren Rettungseinsatz auslösen, plaudere noch ein wenig mit dem Rezeptionisten und gehe mich dann auf dem Zimmer umziehen.
Mein Zwiebellook hat seinen Härtetest ohne Zweifel bestanden, aber ich bin tatsächlich froh wieder in normale Winterklamotten schlüpfen zu können. Gleichzeitig lässt meine Lust noch einmal loszufahren stark nach und so besteht mein Abendessen einen weiteren Tag nur aus einer Familienpackung Cookies, ein paar Müsliriegeln und einer Cola.
Bis zum Anbruch der Dunkelheit packe ich schon einmal provisorisch meinen Koffer zusammen und gehe danach wieder raus zum Auto. "Moment, hast du nicht gerade gesagt du hast keinen Bock mehr wegzufahren?"
Darauf zwei Worte: Aurora Borealis.
Die soll heute prächtig über Michigan stehen und wäre für mich ein absolutes Novum. Schon sehr lang ist es ein Traum von mir einmal in meinem Leben Nordlichter zu sehen und eigentlich wollte ich dafür einmal nach Island oder Skandinavien fahren. Umso überraschter, aber auch erfreuter war ich dann, dass diese auch hier im nördlichen Michigan gut sichtbar sein können. Ich betrieb eine ganze Menge Recherche, trat der "Michigan Aurora Hunters" Facebookgruppe bei und suchte bei Google Maps nach Straßenabschnitten ohne Lichtverschmutzung (Spoiler Alert: Hier gibt es sowieso kaum Lichtverschmutzung, daher hab ich die alle über den Haufen geworfen). Außerdem habe ich mir für die Nachtfotografie ein neues Objektiv zugelegt (vielen Dank noch mal an Stefan der mich "überredet" hat Geld auszugeben und in Qualität zu investieren. Das allerdings weniger mit Worten als mit Testbildern .
So kam kurz vor dem Urlaub noch ein Samyang 16mm f2.0 aus Polen zu mir geflogen. Zwar vollkommen manuell - was übrigens der Hauptgrund meines Zögerns war - aber die Abbildungsleistung war überall hochgelobt und ganz ehrlich, bei der Nachtfotografie muss man eh mit MF arbeiten und das ist eigentlich das einzige Einsatzgebiet, dass ich für die Linse habe. Da der Preis für eine solche Abbildungsqualität auch noch sehr heiß war musste ich einfach zuschlagen und ich will nicht zu viel verraten, aber ich bin nicht das einzige Forenmitglied, dass ebenfalls zum Geldausgeben genötigt wurde *hust* stimmts lunchen *hust*
Aber zurück nach Munising:
Auf der Website der Universität Alaska wurde für heute Nacht Kp5 vorausgesagt und das Wetter sieht zwar nicht perfekt aus, aber die Wolken halten sich in Grenzen. Nix wie los.
Um viertel zehn schwang ich mich bei gemütlichen acht Grad Fahrenheit in meinen GMC und fuhr runter zum Fährhafen. Der bläuliche Lichtkegel meiner Xenonscheinwerfer schnitt sich scharf durch den tiefschwarzen Wald bis ich am Wasser den Motor stoppte und in der völligen Dunkelheit stand.
Ich stieg aus dem Auto aus und stapfte durch den knarzenden Schnee in Richtung See bis ich einen Punkt fand der mir zusagte. An diesen Punkt fuhr ich dann das Auto, baute das Stativ auf, stellte die Kamera ein und wartete....und wartete....und wartete....
Nicht nur, dass ich mit bloßem Auge nichts sah, auch die Testbilder waren eher ernüchternd und das Problem am Winter ist, dass man nach spätestens 15 Minuten stillstehen absolut keinen Bock mehr hat sich den Arsch abzufrieren.
Ich ließ die Kamera also draußen stehen und wartete im Auto, doch auch das wurde schneller kalt als mir lieb war und da ich wirklich absolute Dunkelheit haben wollte blieb auch die Zündung aus.
War das ein Knacken? Aber da doch jetzt ein Schatten!
Ja, ich stellte recht schnell fest, dass ich hier ganz allein, am Arsch der Welt und in der völligen Dunkelheit war, astreines Axtmörderterretorium und genau diese Feststellung animierte meinen Körper sämtliche Folgen von Aktenzeichen XY, Cold Case und Konsorten in meinem Kopf abzuspielen. Absolut hirnrissig, aber man kann sich sowas ja auch einreden.
Da immer noch nichts von der Aurora zu sehen war packte ich das Stativ samt Kamera also erst einmal auf den umgeklappten Beifahrersitz und startete den Motor um mich aufzuwärmen, aber wohl fühlte ich mich hier unten jetzt nicht mehr - danke Hirn - und trat deswegen den Rückweg an.
Die Aurora wollte ich aber noch nicht aufgeben, daher wartete ich weiter, diesmal allerdings auf dem Wohnmobilparkplatz des Hotels, dort war es auch vergleichsweise dunkel, aber irgendwie hatte ich ein besseres Gefühl. Draußen warten wollte ich bei mittlerweile nur noch sechs Fahrenheiten aber immer noch nicht und auch die Kamera begann zu schwächeln, weshalb ich die "Ob die Aurora wohl schon da ist-Testfotos" vom Lenkrad aus machte.
Meinen Augen wollte ich da nicht vertrauen, schließlich hatte mich Jules vorgewarnt, dass die Aurora mit bloßem Auge nur sehr schwach sichtbar ist.
Das Problem, dass ich auf den Testfotos aber zunehmend sah war grau und machte sich richtig unbeliebt. Es begannen nämlich langsam aber sicher Wolken über den See zu ziehen und die ließen sich auch von meiner sehr direkten Musikwahl nicht beeindrucken .
In der Facebookgruppe wurde mittlerweile angekündigt, dass die größte Chance auf die Aurora wahrscheinlich gegen vier Uhr nachts ist. Das war für mich das "Zeichen von oben", ich fuhr mein Auto 100m weiter auf den regulären Parkplatz, entspannte noch mit einer sehr heißen Dusche und ging dann gegen 22:15 ins Bett, nicht ohne den Wecker auf 3:45 zu stellen.
Ob ich dadurch die Aurora sehen oder nur Schlafmangel des Todes haben werde, dazu demnächst mehr auf diesem Kanal.
Fahrdaten des Tages: