Put on your hiking boots - 558km zu Fuß durch den kunterbunten Südwesten im Herbst 2021

  • Tag 18 (03.10.2021) - Die Ruhe vor dem Sturm: Auf in den Yosemite National Park





    Es wäre an dieser Stelle durchaus sinnvoll nochmal auf Klo zu gehen, zumal es hier am Trailhead eines gibt - sogar mit Spülung. Aber ich beschließe am Visitor Center zu gehen, da will ich sowieso noch anhalten, denn ich brauche ja noch den Annual Pass und außerdem einen Patch. Die Dinger sammle ich ja seit 2018, auch wenn ich noch immer keine Ahnung habe, was ich eigentlich damit machen soll :biggrin: Vielleicht hat ja jemand konstruktive Vorschläge, die über "auf's Sofa Kissen nähen" oder "an den Rucksack nähen" hinaus gehen.

    Egal. Mit Bravour fahre ich am Visitor Center, bzw. am Abzweig davon, vorbei und habe ewig keine Möglichkeit zu wenden, erst am Park Eingangsschild. Also wieder zurück!

    Diesmal verpasse ich die richtige Einfahrt nicht und bin erstaunt davon, wie winzig das Gebäude ist, in dem sich offenbar das Visitor Center befindet. Aber klar... Kleine, eher wenig besuchte Parks haben natürlich keine gigantischen Shops wie man sie aus dem Zion zum Beispiel kennt.


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    Dabei ist das hier nicht einmal das Visitor Center. Scheinbar bin ich in einem Camping Store gelandet, genauer gesagt in einem winzig kleinen Campingstore. ABER ER HAT FEUERZEUGE. WTF! Liebe Furnace Creek Ranch Ranch at Death Valley mit deinem 20x so großen Shop, könntest du dir da bitte eine Scheibe von abschneiden???

    Sogar Patches gibt es hier, leider aber keinen Annual Pass, dafür werde ich wirklich zum Visitor Center "next door" geschickt. Ach, da war noch eine Tür?! Verrückt. Es gibt tatsächlich eine next door und der Raum dahinter ist von der Größe her bestenfalls eine Besenkammer, wo irgendwie noch ein Tresen reingequetscht wurde. Auch hier wird leider kein Annual Pass mehr verkauft, scheinbar auch schon ewig nicht mehr, das sollte der Shop nebenan eigentlich wissen. Das müsse ich bei dem Häusschen am Parkeingang machen. Okeeee. Ein Klo gibt's hier auch nicht, supi! Kaum bin ich wieder an der frischen Luft wird die Tür hinter mir abgeschlossen - Punkt 12, Mittagspause für den einzigen Ranger, das Visitor Center schließt - na klar.

    Ich fahre aus dem Park raus, kaufe meinen Pass und frage mich, ob ich jetzt in die gleiche Richtung zurück muss aus der ich kam, oder ob ich nach links abbiege, in Richtung Hollister. Ich meine das wäre richtig, allerdings kann man das ohne Netz nicht so genau sagen. Ob ich keine Offline Karten runtergeladen habe??? Natürlich habe ich Offline Karten heruntergeladen. Google Maps hat aber kein Bock die zu laden. Mittlerweile weiß ich auch wo das Problem ist: Minimal Netz ist schlechter als gar kein Netz und die Offline Version wird nur bei GAR KEINEM Netz angezapft. Wenn man auf Flugmodus umstellt funktioniert das ohne Probleme. Auch egal, Hollister war richtig und ein paar Kilometer später ist auch wieder LTE da.

    Rund um den Pinnacles National Park muss echt die einsamste Gegend Kaliforniens sein.


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    Ich muss immer noch tanken! Die erste Gelegenheit ist in der Nähe von Gilroy neben der Interstate. Hier sehe ich auch das erste mal schöne Halloween Deko, auf die habe ich mich besonders gefreut.

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    Mich trifft etwas der Schlag als ich die Preise sehe. An der Zapfsäule klappt es wieder nicht, also bezahle ich 50$ im voraus, da ich noch kein Gefühl dafür habe wie viel so in den Wrangler rein geht - zu viel, denn mit dem Betrag bekomme ich den nicht einmal 3/4 voll und leer war der nun nicht. Na, das kann ja noch heiter werden.

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    Noch kann man etwas sehen... Noch ist der Himmel blau

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    Meine Laune verschlechtert sich während der restlichen Fahrt rapide. Ich verpasse nicht nur gefühlt 5 Ausfahrten hintereinander und fahre sinnlos in Vierecken durch die Gegend, die Sicht verschlechtert sich auch extrem. Mittlerweile kann man schon fast sagen, dass es so aussieht wie in Lima. Ja, wir fahren in Richtung Osten, auf die Sierra Nevada zu, der Waldbrand ist aber viel weiter südlich. Bald ist der Yosemite National Park ausgeschildert, ansonsten würde ich meinem Navi nicht mehr glauben das ich in diese Richtung fahre. Immerhin schmeckt mein geliebter Zitronenkuchen diesmal wieder so genial wie früher.

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    In El Portal muss ich dann nochmal tanken und schon wieder gehen über 50$ rein. Interessanterweise ist es hier aber günstiger als in der Pampa bei Gilroy, damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet. Die Tankstelle hier ist "Credit Card Only" und immer unbesetzt. Ich bekomme schon zu viel als meine Visa nicht funktioniert, denn mit so wenig Sprit möchte ich nicht in den Park fahren. Glücklicherweise geht dann aber die Amex... Gut, dass ich mir doch mal eine angeschafft habe, beim Tanken scheint es Vorteile zu haben.

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    Der Eingang vom Yosemite National Park ist genau so wenig besetzt, wie heute morgen der vom Pinnacles National Park. Da war es vermutlich heute morgen zu früh, jetzt ist es zu spät. Noch hätte ich den Pass also nicht gebraucht, aber ich finde es natürlich trotzdem selbstverständlich zu zahlen.

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    Im Yosemite Valley angekommen kann man mittlerweile immerhin mal wieder den blauen Himmel sehen, auch wenn die Luft insgesamt sehr verraucht ist. Leider riecht man das auch, ich hoffe wirklich das der Wind bis morgen nochmal dreht und der Rauch verschwindet. Bis gestern ist es noch in die andere Richtung gezogen, natürlich musste sich das jetzt über Nacht ändern :mad:

    Ich freue mich als der El Capitan ins Sichtfeld kommt :love:


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    Es ist meeeeega gruselig wie leer das Valley ist. Kein Stau, überall Parkplätze frei... Keine Ahnung woran es liegt, vermutlich eine Kombination aus Corona und dem Brand. Selbst an der Yosemite Valley Lodge sind noch 2/3 der Parkplätze frei und ich habe nachher freie Platzwahl. Ich weiß noch genau was das 2018 für ein Drama hier war. Wir mussten um die gleiche Uhrzeit irgendwo an Visitor Center parken und mussten selbst dafür 5 Runden drehen. Zur Lodge Umparken durften wir dann nach 21 Uhr, als alle Tagesbesucher weg waren und nur noch Übernachtungsgäste hier stehen durften.

    Der Check In ist ab 17 Uhr, jetzt ist 16:40 Uhr und mein Zimmer ist leider noch nicht fertig.


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    Meine Zimmernummer bekomme ich leider noch nicht mitgeteilt, nicht einmal in welchem Gebäude ich untergebracht sein werde. Ich bin etwas verwirrt darüber, aber scheinbar hat man schlechte Erfahrungen damit gemacht. Das interessiert mich nun aber doch und ich frage noch mal genauer nach. Tatsächlich sind Leute nach dem Check In direkt zum nicht fertigen Zimmer gelaufen und haben die Putzfrauen in dem Gebäude bedrängt, ihr eigenes Zimmer doch jetzt sofort zu machen. Teilweise auch unter Androhung von Gewalt. Was zum... :confused::confused: Er zeigt mir auf einer Karte aber einen Bereich aus drei Gebäuden, von denen es eines sein wird. Da parke ich dann einfach mal auf gut Glück, sitze 10 Minuten im Auto, bemitleide mich selbst wegen der schlechten Luft hier und laufe dann auch schon wieder zurück zur Rezeption.

    Ich bekomme meinen Schlüssel um Punkt 17 Uhr und habe lustigerweise direkt vor der richtigen Treppe geparkt. Leider habe ich ein Zimmer im 1. OG, kann aber nichts dagegen sagen, da ich mir das scheinbar bei der Buchung gewünscht hatte. Kann schon sein, da bin ich aber auch noch davon ausgegangen nicht alleine hier zu sein und den ganzen Kram selbst die schmale Treppe hochschleppen zu müssen. Nachdem das geschafft ist lege ich schon mal die Klamotten für morgen raus, so dass ich nur aus dem Bett fallen und mich anziehen muss. Außerdem lege ich alles zusammen, was in den Rucksack muss. Für die morgige Wanderung habe ich mir sogar zuhause schon eine Liste geschrieben, was mit muss.


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    Fertig! Heute mache ich gar nichts mehr, außer mich zu entspannen.

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    Jetzt brauche ich noch was zu essen. Und zwar keinen Zitronenkuchen, sondern etwas Richtiges, Warmes. Am besten mit möglichst vielen Kohlenhydraten. Das bekomme ich nur noch in dem Restaurant an der Lobby, also mache ich mich nochmal auf den Weg. Vorher gehe ich aber nochmal in den Shop und sehe ein richtig cooles Tshirt zu einem super Preis. Ich habe aber keine Lust damit zum Essen zu gehen, der Store hat bis 20 Uhr auf, also komme ich gleich wieder.

    Das Restaurant ist Selbstbedienung, es gibt Pizza, Pasta, Salat oder Fleisch mit Beilagen. Ich entscheide mich für letzteres und naja. Es ist absoluter Kantinenfraß und teuer noch dazu, aber so ist es eben meistens in den National Parks und ich kann damit leben. Hauptsache ich bin satt und hab genug Energie für morgen.


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    Es ist mittlerweile schon dunkel als ich fertig bin, ich hole nur noch schnell das Shirt, hole Wasser aus dem Auto hoch um die Trinkblase mit den vollen drei Liter zu befüllen und schaue nochmal auf der Map vom Valley, wo ich nachher lang muss.

    Morgen früh wird mein innerer Duracell Hase so einige neue Level erreichen.

  • Ob ich keine Offline Karten runtergeladen habe??? Natürlich habe ich Offline Karten heruntergeladen. Google Maps hat aber kein Bock die zu laden. Mittlerweile weiß ich auch wo das Problem ist: Minimal Netz ist schlechter als gar kein Netz und die Offline Version wird nur bei GAR KEINEM Netz angezapft. Wenn man auf Flugmodus umstellt funktioniert das ohne Probleme. Auch egal, Hollister war richtig und ein paar Kilometer später ist auch wieder LTE da.

    Da muss ich jetzt mal was dazu fragen. Wollte ich schon öfters, habs aber immer vergessen. Du nutzt immer Google Maps um von A nach B zu navigieren. Aber Google Maps funktioniert doch in erster Linie online. Dass man da Karten runterladen kann, lese ich jetzt zum ersten Mal. Hast Du so ein riesiges Datenvolumen, dass Du online navigieren kannst? Ich nutze nur die Here App und maps.me, weil beides offline funktioniert.

  • Kein Wunder das Yosemite so leer ist. Ganz Kalifornien übervölkert seit Wochen Utah und die NP dort


    So pauschal kann man das auch nicht sagen, das Death Valley war nicht leer :D


    Ich bin sehr gespannt :deer: (okay kein Hase, kommt dem aber am Nächsten ;) )


    Zurecht :D


    Bin schon soooo gespannt auf den morgigen Tag! :cap:


    Der wird auch interessant.. Hoffe ich


    Ich bin auf den morgigen Tag gespannt.


    :)


    Da muss ich jetzt mal was dazu fragen. Wollte ich schon öfters, habs aber immer vergessen. Du nutzt immer Google Maps um von A nach B zu navigieren. Aber Google Maps funktioniert doch in erster Linie online. Dass man da Karten runterladen kann, lese ich jetzt zum ersten Mal. Hast Du so ein riesiges Datenvolumen, dass Du online navigieren kannst? Ich nutze nur die Here App und maps.me, weil beides offline funktioniert.


    Ich habe auch immer Here benutzt, die stürzt bei mir aber alle 5 Minuten ab und geht einfach aus. Google Maps geht auch offline, hat Jürgen ja grad geschrieben :)


    Die Wanderung im Pinacle Park hätte mir auch gefallen.


    Wenn der Yosemite so schön leer ist, macht es viel mehr Spaß dort zu laufen und zu fahren.


    Schon, aber der Rauch war noch viel weniger schön als wenn es einfach voll gewesen wäre. Ist ja eh relativ egal wenn man im Park übernachtet.

  • Duracell Statistik: Tag 3




    Tag 3 - 03.10.2021

    Gelaufene Kilometer: 18,8 km

    Schritte: 26.956


    Aufgestanden: 04:15 Uhr

    In's Bett gegangen: 20:00 Uhr

    Stunden auf den Beinen: 15,75


    Wanderungen:

    • Old Pinnacles Loop
      14,17 km / 484 Höhenmeter

    Highlight: Der Pinnacles National Park mit der coolen Wanderung

    Lowlight: Der Rauch im Yosemite National Park


    Gesamt


    Gelaufene Kilometer: 49,3 km

    Durchschnitt pro Tag: 16,4 km

  • Tag 19 (04.10.2021) - Das Abenteuer Half Dome beginnt: Durch die Nacht zum Subdome Teil 1





    In the end we only will regret the things we did not do



    Angestrengt kneife ich meine müden Augen zusammen. Die Sonne ist bereits untergegangen und eigentlich wäre die Stirnlampe längst notwendig, um nicht über die nächstbeste Wurzel zu stolpern. Ich versuche es aber noch hinauszuzögern. Durchgeschwitzt in der kühlen Abendluft anzuhalten und den Rucksack abzusetzen wäre unklug, außerdem bezweifle ich, dass meine schmerzenden Füße mich noch einen Meter weitertragen, sobald ich einmal aus dem Takt bin. Sagte ich Schmerzen? Das muss die Untertreibung des Jahrhunderts sein, die Tränen laufen längst und am liebsten würde ich schreien, mich auf den Boden werfen und für immer hier sitzen bleiben. Aber das geht nicht. Ich bin alleine, es muss ewig her sein, dass ich einen anderen Wanderer gesehen habe und auf meiner Uhr stehen bisher 43 Kilometer. Ich benutze die Taschenlampe vom Handy, ich schaue eh alle 5 Sekunden auf den Track und bin wütend, dass ich in der Zeit keine 500 Meter weiter gekommen bin. Der Akku ist auf 4%, verlaufen werde ich mich wohl nicht mehr und zur Not schleppe ich eine riesige Powerbank mit mir herum. Schnellen Schrittes, angetrieben von reinem Willen endlich das Zimmer zu erreichen, bringe ich Serpentine für Serpentine abwärts hinter mich. Nur noch zwei Kilometer! Ich eile um die nächste Kurve und mein Herz rutscht mir in die Hose - direkt vor mir, keine drei Meter entfernt, steht ein ausgewachsener Bär und starrt mich an. Ich starre zurück.

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    Ihr fragt euch, wie ich in diese Situation kommen konnte? Ich will es euch erzählen!


    Alles begann an diesem Morgen, als mein Wecker mich um 02:30 Uhr aus dem Bett klingelte. Ich war bereit! Bereit meinen Plan durchzuziehen, den ich mir schon vor so langer Zeit in den Kopf gesetzt hatte und niemand war bei mir der mich daran hindern könnte oder auf den ich Rücksicht nehmen müsste. Ich war sowas von wach! Ist die Idee gut? Die meisten würden vermutlich verneinen. Die Klamotten lagen bereit, der Rucksack war gepackt, nur meine Pausenbrote musste ich noch schmieren, da hatte ich am Abend keine Lust mehr zu. Ich zog mich an, nahm die Trinkblase aus dem Kühlschrank und klippte sie an den Schlauch, packte O-Saft, Iso Drink, präparierte Wasserflasche mit Magnesium und die drei Baguettes ein, die ich soeben geschmiert hatte und war auch schon fertig. Der Klettergurt kommt hinten an den Rucksack. Obwohl ich nicht viel zu tun hatte war es schon wieder zehn nach drei als ich loskam, geplant war eigentlich Punkt drei Uhr. Egal, das wird den Braten schon nicht fett machen.


    Die erste Zeit musste ich mit Alltrails navigieren, ich hatte nämlich keinen Plan wo ich hin muss. Wer sich jetzt wundert, wieso ich nicht mit dem Auto zum Trailhead gefahren bin: Wartet es ab, ihr werdet es verstehen. Erstmal musste ich am Hauptgebäude der Lodge vorbei und dann auf die Straßen, die durch das Yosemite Valley führen. Es gäbe auch einen Trail durch die Meadows, aber ganz ehrlich, dass musste ich im stockdunklen nicht haben.


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    Bevor ich auf Asphalt kam musste ich aber zwangsweise über eine Wiese laufen, wo dann irgendwann auch ein Schild auftauchte mit "Half Dome View". Ja, doch. Kann ich bestätigen, die Aussicht auf den Half Dome in dieser Minute war wirklich atemberaubend. Ich will ihn euch natürlich nicht vorenthalten, hier ist er:

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    Sobald ich an der Straße ankam lief ich auch mitten drauf, es fuhr um die Uhrzeit sowieso kein einziges Auto und wenn doch hätte ich es Kilometerweit vorher gehört und vermutlich wegen des Lichts auch gesehen. Bis auf meine Stirnlampe war rabenschwarze Nacht, wenn auch sternenklar. Das machte mir etwas Hoffnung darauf, dass der Rauch sich etwas verzogen hat und ich heute mit einer besseren Sicht rechnen kann. Der Weg durch das Valley zog sich, es waren immerhin 5 Kilometer, aber immerhin war es weniger gruselig als ich vorher befürchtet hatte.

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    Kurz bevor ich am Trailhead ankam, holte mich tatsächlich ein Auto ein und bog in Richtung Happy Isles Trailhead Parkplatz ab. Ich bin also nicht die einzig verrückte und werde nicht alleine auf der Wanderung unterwegs sein - irgendwie ein bisschen beruhigend.

    Bis zum Trailhead brauchte ich eine knappe Stunde, pünktlich am Schild teilte meine Apple Watch mit mir, dass ich mein Trainingsziel von 45 Minuten pro Tag erreicht hatte. Na großartig, dann kann ich ja jetzt wieder umdrehen und mich wieder in's Bett legen :)


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    Nichts da. Ich bin an der Brücke, die den Anfang des Mist Trails markiert, angekommen und hier startete nun das eigentliche Abenteuer Half Dome! Was war ich aufgeregt! Als ich das Foto machte holte mich auch das Paar schon ein, denen scheinbar das Auto gehört und grüßte mich überrascht. Schnell waren sie vorbeigezogen, ich sparte mir meine Kräfte lieber und machte ein bisschen Piano.

    Wer den Mist Trail schon mal gelaufen ist der weiß: Schon der Anfang ist ekelhaft. Der Weg ist noch asphaltiert und geht sofort hinter der Brücke ultrasteil hoch, in dem Fall war es gut, dass ich mich vorher schon 5km einlaufen konnte. Ich überholte das Pärchen wieder beim Klamotten entledigen und sie mich kurze Zeit später wieder.


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    Ich stand nun am Abzweig, wo der Mist Trail vom John Muir Trail abgeht und ich musste mich entscheiden: Gehe ich den etwas längeren, aber nicht ganz so steilen und dafür besser ausgebauten John Muir Trail, oder den kürzeren, aber steileren und eventuell rutschigeren Mist Trail? Das Ding ist: Es war nach wie vor stockdunkel und den Mist Trail kannte ich bereits und war mir sicher, den Weg hier in jedem Fall zu finden, der John Muir Trail ist mir unbekannt und ich laufe ungerne komplett unbekannte Wege, wenn ich die Hand vor Augen nicht sehen kann. Ich entschied mich für den Mist Trail, es ist so dermaßen trocken, dass die Wasserfälle wohl nicht mehr für nasse und glatte Steine auf dem Weg sorgen können. Der Mist Trail ist momentan übrigens täglich von 06:30 - 16:00 wegen Bauarbeiten gesperrt, der Hinweis stand hier auch nochmal, aber von 06:30 Uhr waren wir noch lange entfernt, sollte also kein Problem darstellen.

    Das Paar bog hier nochmal in Richtung Klo ab, ich hatte also keine Ahnung für welchen Weg die sich entscheiden werden und ob ich alleine sein werde. Die Steigung machte mir weniger als erwartet und im Licht der Stirnlampe sah irgendwie alles komplett gleich aus. Plötzlich stand ich vor dem steilen Anstieg auf den Grat, auf dem es am Vernal Fall vorbei geht. Ich hatte gar nicht mitbekommen, dass ich schon so weit gekommen war. Vom Wasserfall war weder etwas zu sehen, noch zu hören. Könnte es dieses Jahr tatsächlich so trocken sein, dass selbst die Wasserfälle hier komplett trocken sind? Kann ich mir fast nicht vorstellen. Ich sparte mir deshalb auch komplett das Fotografieren, denn man würde außer Steine im Stirnlampen Licht sowieso nichts sehen. Oberhalb des Vernal Falls angekommen hatte ich keine Ahnung wo der Weg weiter ging, die Alltrails App half mir aber auch hier wieder zuverlässig. Es ging ein Stückchen ebenerdig durch den Wald, bevor die Serpentinen so richtig anzogen und an der Stelle war es unmöglich den Weg im dunkeln zu erkennen, wenn man keinen Track dabei hat.


    Der Mist Trail ist hart. Wie hart hatte ich schon fast vergessen. 2018 bin ich ihn mit meiner Mutter nur nach unten gelaufen, 2015 schon mal bis oben. Auf genau diesem Teilstück hier haben wir aber abgebrochen, weil es mir einfach zu doof wurde. Bis zum Top of Nevada Fall hat man 600 Höhenmeter auf nur 4 km zu überwinden und die ließen mich ordentlich schwitzen. Ich war schon fast ganz oben, als ich gaaanz weit unter mir die ersten anderen Taschenlampen erblickte. Es wird dauern bis die mich einholen können, trotzdem war es gut zu wissen nicht alleine zu sein.

    Mein ursprünglicher Plan war es oberhalb des Nevada Falls eine Pause zu machen und zu Frühstücken, allerdings hatte ich jetzt noch keinen Hunger und außerdem war es arschkalt und ich komplett nassgeschwitzt von der unmenschlichen Steigung. Ich konnte mich so jetzt unmöglich irgendwo hinsetzen, außerdem war es noch komplett dunkel, nicht einmal der Ansatz des Sonnenaufgangs war zu erkennen. Ab jetzt war der Trail Neuland für mich und den wollte ich eigentlich bei Tageslicht sehen, allerdings konnte ich das ja auch noch auf dem gleichen Rückweg... Also was soll's. Auf in's Little Yosemite Valley!

  • Tag 19 (04.10.2021) - Das Abenteuer Half Dome beginnt: Durch die Nacht zum Subdome Teil 2




    Nach ein paar weiteren Serpentinen wurde der Trail nun für lange Zeit sehr flach, nahezu ebenerdig, teilweise sogar wieder etwas bergab und ich kam wirklich hervorragend voran. Der Weg war breit und auch bei der Dunkelheit nicht zu verfehlen, hier schrubbte ich einfach nur Kilometer. Langsam wurden die Sterne weniger, die Silhouetten der umliegenden Bäume und Berge dafür klarer und deutlicher - Der Sonnenaufgang steht endlich bevor. Wurde ja auch mal Zeit nach 10 km und über 600 Höhenmetern :biggrin: Schmerzlich wurde mir wieder bewusst, dass die Zeit kurz vor und nach dem Sonnenaufgang die kälteste des Tages ist. Es wurde unmenschlich kalt und ich hatte ja nur eine Fleece Jacke an. Das schlimmste waren meine Hände, die ich irgendwie versuchte in den Jackentaschen warm zu halten.

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    Ich erreichte den Little Yosemite Valley Campground, hier übernachtet man, wenn man den Half Dome in einem 2-Tages Track erwandern möchte und das Glück hatte ein entsprechendes Backcountry Permit zu gewinnen. Ich hatte es gar nicht versucht, für mich kam die Wanderung sowieso nur als Tagesmarsch in Frage. Hier wurden jetzt jedenfalls die ersten Hiker aktiv, jedenfalls traf ich zwei von Ihnen bei der morgendlichen Katzenwäsche.

    Es ging wieder in dichteren Wald und schon begann der Trail wieder in Serpentinen anzusteigen. Der Typ, den meine Mutter und ich vor drei Jahren am Klohaus am Nevada Fall getroffen hatten, hatte absolut recht: Der Trail zum Half Dome ist mordsmäßig langweilig und zäh wie Kaugummi. Hier ist echt das Ziel das Ziel.


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    Bald hatte ich mich durch die Steigung wieder warm genug gelaufen um eine Frühstückspause einzulegen. Ich fand einen geeigneten, umgekippten Baumstamm für meine Rast und gönnte mir 10 Minuten Pause. Dabei wurde ich dann auch schon von den beiden Campern überholt. Schade, ich hatte fast erwartet die erste an den Cables zu sein, aber eine der Ersten reichte mir auch - Hauptsache es ist noch nicht so voll, dass ich mich in einer Schlange anstellen muss.

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    Nach nur drei weiteren Serpentinen gab der Wald das erste Mal die Sicht auf den Half Dome, mein Ziel, frei. Vermutlich hätte man ihn schon vorher mal sehen können, aber da war es ja nun einmal noch dunkel. Ich war geschockt von dem vielen Rauch und der beschissenen Weitsicht, anhand des nächtlichen Sternenhimmels hatte ich mit Besserung gerechnet. Gestern Abend war immerhin der Himmel blau, davon sind wir nun weit entfernt. Entgegen der Vorhersage war es also sogar noch schlimmer geworden als am Vortag. Was für eine Scheiße. Da gewinnt man einmal dieses blöde Permit, freut sich Ewigkeiten drauf und dann sieht man vermutlich einfach NICHTS.

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    Ab jetzt zog es sich einfach unfassbar. Es waren noch drei Meilen bis zum Gipfel des Subdomes und wenn man schon Ewigkeiten unterwegs ist kommt man gefühlt keinen Meter näher. Dazu kam noch, dass der ganze Weg nur noch aus bröckeligen, Felsigen Serpentinen besteht, die von dichtem Wald umgeben sind, aus dem man absolut nichts von der Umgebung sehen kann.

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    So nah und doch so fern. Der Gipfel des Half Domes wirkte selbst nach so vielen Stunden, so vielen Kilometern und so vielen Höhenmetern beinahe unerreichbar weit entfernt.

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  • Tag 19 (04.10.2021) - Das Abenteuer Half Dome beginnt: Durch die Nacht zum Subdome Teil 3




    Endlich lichtete sich der Wald und ich befand mich auf einer Art Meadow mit vereinzelten Bäumen und gigantischen Felsbrocken, die irgendwann mal aus den Bergen gebrochen sein müssen und nun wie riesige Findlinge in der Gegend herum liegen. Ich war irgendwie ein bisschen hinter der Zeit, aber das sollte alles noch nicht so dramatisch sein. Schon zuhause hatte ich mir einen Plan gemacht wie lange ich für welchen Abschnitt der Wanderung brauchen darf, um noch im Hellen wieder unten anzukommen. Die Methode hatte sich bereits bei der großen Grand Canyon Wanderung damals bewährt. So weiß man zu jeder Zeit wie es aussieht und wie viel Pause man sich erlauben kann. Mir hilft's jedenfalls.

    Ich muss es einfach nochmal dazu sagen: An dem Morgen war absolut keine Wolke am Himmel, der sollte strahlend blau sein. Alles was ihr hier seht ist der Rauch vom Brand im Sequoia National Park. Überwältigend, faszinierend und gleichzeitig unglaublich frustrierend.


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    Und dann stand ich vor dem berüchtigten Subdome.

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    Vor dem Half Dome befindet sich ein weiterer, kleinerer Berg, der Subdome. Ihn muss man erklimmen, bevor es auf die finalen Cables geht, die einen über teilweise 45° steilen, glatten Granit auf den Gipfel des großen Bruders bringen. Der Subdome ist mies, richtig mies. Man hat zu dem Zeitpunkt eine super öde, super anstrengende Wanderung hinter sich und jetzt wird die letzte Kraft aus einem herausgesaugt. Genau bevor man an die kritischste, anstrengendste und gefährlichste Stelle kommt. Ähnlich machen es auch die Walter's Whiggles vor den Ketten bei Angels Landing, nur hier ist das Ausmaß 20x größer.

    Ich wusste der Subdome ist steil und unbarmherzig. WIE steil und unbarmherzig stellte ich aber erst fest, als ich persönlich vor ihm stand und mir doch etwas die Kinnlade herunterklappte. Auf was hatte ich mich da eingelassen??

    Die Serpentinen sind steil, später so steil, dass sie zu Treppen werden. Zu meistens äußerst schmalen Treppen, die einen ziemlich nah am gewaltigen Abgrund entlang führen. Später hören dann auch die Treppen auf und enden am blanken Granit. Hier muss man sich dann über kurze Zeit selbst einen Weg suchen, der einem am ungefährlichsten aussieht. Hier verzettelte ich mich kurz mit einem Paar, die auch nicht so genau wussten wie man da jetzt hoch geht. Hat man die Stelle einmal überwunden landet man auf einer flacheren Granitplatte mit wesentlich mehr Grip und hat es geschafft. Der Subdome war nach einer knappen Stunde kräftezehrender Kletterei bezwungen.


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    Und nun stand ich vor ihnen. Vor den legendären Cables des Half Domes. Vor dem großen Finale, denn alles bisher war nur die Vorbereitung.

  • Das war ja mal ein früher Beginn und anstrengende Stunden - und der Tag ist ja noch lange nicht vorbei.


    Wenn ich zum Half Dome wollte, dann würde ich auf jeden Fall mehrere Tage unterwegs ein und dann vorher auf dem Campingplatz oben übernachten.

    Vor vielen Jahren war ich mal von Toulumne Meadows runter ins Yosemite Valley unterwegs und habe da dreimal in der Natur übernachtet.

  • Da muss ich jetzt mal was dazu fragen. Wollte ich schon öfters, habs aber immer vergessen. Du nutzt immer Google Maps um von A nach B zu navigieren. Aber Google Maps funktioniert doch in erster Linie online. Dass man da Karten runterladen kann, lese ich jetzt zum ersten Mal. Hast Du so ein riesiges Datenvolumen, dass Du online navigieren kannst? Ich nutze nur die Here App und maps.me, weil beides offline funktioniert.

    Sandra, Google offline funktioniert in Afrika super. Damit fahren wir nur. In Kenia hatte sich unser Guide verfahren, meine Offline-Karten haben uns wirklich den Tag gerettet.

    In Nordamerika geht das auch gut damit, in Südamerika fahren wir mit maps me.

  • Oh je, ohne Wanderstöcke wäre ich dort nicht hoch gekommen. Extremsport, mehr fällt mir dazu nicht ein, aber, wo ein Wille, da ein Weg, aber lt. Intro muß es mehr als beschwerlich gewesen sein. Ohne Wanderpartner, der zwischendurch auch motivieren bzw. bei Schwierigkeiten helfen kann, wäre ich nicht gestartet.

    Sarah, du bist eine harte Socke! Respekt!

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