„Ice possible – Drive with Care“ - Eine winterliche Woche in Michigan

  • Weit komme ich nicht, da kommt mir ein goldener Tahoe entgegen, der plötzlich neben mir anhält.

    „Are you walking here on purpose or did your car brake down?“

    Anscheinend würde ein Local bei diesem Wetter nicht auf die Idee kommen zum Chapel Beach zu wandern, verübeln kann ich es ihnen nicht. Ich berichte der Fahrerin also von meinen Plänen und sage ihr, dass ich gleich hier in der nächsten Straße parke.

    Das wäre keine Straße sondern ihre Einfahrt, aber so lange sie durchfahren kann ist das absolut kein Problem. Ich könne aber auch hinten bei ihrem Haus parken, das wäre vielleicht besser damit ihr Mann mit seinem Schneepflug besser durchkommt. Da könnte ich das Auto auch viel besser parken.

    Ich drehe also meinen Wagen und folge ihr durch die Einfahrt, diese erstreckt sich über mehrere hundert Meter und endet vor einem wirklich sehr hübschen und urigen Haus, lange Holzbohlen, große Fenster, hier könnte ich es definitiv aushalten.

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    Die Frau stellt sich als Lori vor, als herauskommt, dass ich aus Deutschland komme erzählt sie mir, dass sie einen deutschen Großvater hat und Lori eigentlich die amerikanisierte Version Loreley ist, aber den Namen kenne hier keiner.

    „Did you bring snowshoes?“

    Ich hatte ja überlegt welche zu mieten, aber wusste am Ende auch nicht wie man damit so richtig läuft, also hab ich mich dagegen entschieden.

    „No problem, I can borrow you mine and when you are back, feel free to have a coffee with us”

    Oh mein Gott, das liebe ich so an den USA, ich habe versehentlich in der Ausfahrt eines Fremden geparkt, bekomme Equipment ausgeliehen und sogar noch eine Tasse Kaffee angeboten. Hätte ich das in Deutschand gemacht wäre das Ordnungsamt wohl schon gerufen worden bevor ich mich entschuldigen kann :smile:.

    Nur den von mir geplanten Hike, den würde sie nicht machen. Auch wenn es der Grund ist weshalb ich überhaupt hier bin. Sie könne es mir zwar nicht verbieten, aber der Schnee ist frisch gefallen und damit sehr weich, liegt Schulterhoch, ich bin alleine und Handyempfang gibt es hier auch nicht. Stattdessen soll ich lieber noch einmal im Juni oder Herbst vorbeikommen, dazwischen wimmelt es von Mücken, Insekten und Touristen :smile:.

    Im Regelfall wäre ich jetzt ziemlich deprimiert, dass ich den eigentlichen Grund für meine Reise nicht zu sehen bekomme, doch in den letzten drei Tagen hat mir der Staat hier schon so gut gefallen, dass ich den Entschluss im Herbst noch einmal wiederzukommen bereits gefasst habe. So steige ich auf die Schneeschuhe, verabschiede mich von Lori und laufe los. Ein Ziel habe ich nicht wirklich, doch die verschneite Landschaft hier ist wirklich wunderhübsch und so wird sich schon was finden.

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    Das Schneeschuhwandern an sich hat man recht schnell raus. Es ist eine Mischung aus Ausfallschritt und Langlaufski und nachdem ich mich anfangs nur zwei Mal fast langgepackt habe bekomme ich schließlich ein ganz ordentliches Tempo drauf. Die Ausfahrt lasse ich schnell hinter mir und laufe die Chapel Road nach Osten.


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    Das klingt jetzt unverantwortlich, aber ich will probieren ob ich nicht doch irgendwie in Richtung Chapel Basin komme. Wenn ich mir was in den Kopf setze dann will ich das halt doch irgendwie durchziehen. Mein tollkühner Versuch die auf Brusthöhe zugeschneite Straße entlangzuwandern endet aber schon nach 15 Schritten, bei denen ich jedes Mal bis zum Knie einsinke. Daher habe ich zum Glück schon bald keinen Bock mehr auf Cross Country und wate zurück zur Anwohnerstraße.

    Autos sieht man hier gar nicht und so kann ich zumindest einen hübschen Winterspaziergang machen. Die Schneeberge neben der Straße reichen mir mittlerweile bis zum Kinn und alles ist so herrlich ruhig. Auch die Sonne scheint meistens und ab und an kommt sogar der blaue Himmel zum Vorschein. Auf den ersten hundert Metern meckere ich noch ein wenig über den Schneesturm, der mir meine Winterwanderung vermiest, sehe dann aber ein, dass ich Flachlandindianer bei der Planung einfach damit hätte rechnen müssen, dass hier Schnee in der Höhe eines durchschnittlichen Mitteleuropäers fällt und nicht einmal im Jahr 10cm rumliegen. Also schaltete ich um von „So ein Dreck, jetzt bin ich tausende Kilometer geflogen und hunderte Kilometer gefahren und sehe doch nicht was ich möchte“ zu „Oh mein Gott, wie schön ist bloß der Winterwald“.


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    Nach einer Stunde hatte ich dann aber doch genug und drehte wieder um. Mein Winteroutfit hielt zwar immer noch schön warm, aber ohne festes Ziel hatte ich jetzt doch mehr Lust auf Kaffee und Gesellschaft. Nach weiteren 30 Minuten erreichte ich die Auffahrt


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    und zehn Minuten später leuchtete bereits das rote Lackkleid meines Terrains durch die Bäume.


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  • Für solche Begegnungen liebe ich die Amerikaner! <3

    Schließe mich....

    Neben Kälte und viel Schnee wäre ich noch zusätzlich mächtig sauer, wenn ich Ziele nicht erreichen kann. Dann eben doch lieber schnee- und kältefreier Urlaub.

    Und es ist mir außerdem zu menschenleer.... :)

  • Für solche Begegnungen liebe ich die Amerikaner! <3


    Ich bin da zwar jedes Mal aufs Neue wieder überrascht drüber, aber ja, ich auch ^^.


    Diese Freundlchkeit der Amerikaner ist einfach toll :clap1:


    So toll das alles aussieht auf den Bildern mit dem vielen Schnee :daumen1: mein Wetter ist das nicht :zuck:

    Da bin ich froh, mir das hier daheim angucken zu können ohne zu frieren


    Ich muss sagen, dass sich das Frieren nach dem ersten Tag relativ schnell verabschiedet hat. Der Körper adaptiert doch relativ schnell und irgendwann als mal "nur -6°C" waren bin ich für die kurzen Fotostopps ohne Jacke aus dem Auto weil es sich so warm anfühlte nach den Tagen die an der -20 gekratzt haben :smile:.


    Schließe mich....

    Neben Kälte und viel Schnee wäre ich noch zusätzlich mächtig sauer, wenn ich Ziele nicht erreichen kann. Dann eben doch lieber schnee- und kältefreier Urlaub.

    Und es ist mir außerdem zu menschenleer.... :)


    Sauer bin ich eher wenn ich Ziele erreiche, die dann im schlechten Wetter liegen, wie bei den Calhan Paint Mines 2015 ;-)).


    Also das mit der Leere verstehe ich immer nicht, mir kann es in solchen Locations nicht leer genug sein, z.B. auch die White Pocket, wenn da Massen an Leuten gewesen wären, DANN wäre ich sauer gewesen :smile:.

  • Also das mit der Leere verstehe ich immer nicht, mir kann es in solchen Locations nicht leer genug sein, z.B. auch die White Pocket, wenn da Massen an Leuten gewesen wären, DANN wäre ich sauer gewesen :smile:.

    Ist halt ne Frage, was man unter "Massen an Leuten" versteht und wo ich bin. 10 Leute in der White Pocket sind für mich nicht Massen und würden mich nicht stören. Massen Menschen gibt es in Vegas, gehören aber dazu und stören mich dort nicht. :)

  • Ist halt ne Frage, was man unter "Massen an Leuten" versteht und wo ich bin. 10 Leute in der White Pocket sind für mich nicht Massen und würden mich nicht stören. Massen Menschen gibt es in Vegas, gehören aber dazu und stören mich dort nicht. :)

    In Städten wie New York, Chicago, Boston, Vegas,... - wobei, in letzterem werden die doch immer nerviger - hab ich bisher auch keine Probleme mit den Menschenmengen gehabt, klar, deren Hauptzweck ist es ja auch viele Menschen aufzunehmen. In dem Fall geh ich also d'accord.


    In der Natur sieht das aber ganz anders aus. Eigentlich egal wo heißt es für mich da je leerer desto besser, 10 Leute auf der White Pocket und ich hätte das als nicht so schön in Erinnerung. 10 Leute die im Bild rumstehen, eine gewisse Lautstärke mitbringen,... Brauch ich nicht zwingend. Was das angeht war Michigan im Winter recht perfekt :smile2:.

  • In Städten wie New York, Chicago, Boston, Vegas,... - wobei, in letzterem werden die doch immer nerviger - hab ich bisher auch keine Probleme mit den Menschenmengen gehabt, klar, deren Hauptzweck ist es ja auch viele Menschen aufzunehmen. In dem Fall geh ich also d'accord.


    In der Natur sieht das aber ganz anders aus. Eigentlich egal wo heißt es für mich da je leerer desto besser, 10 Leute auf der White Pocket und ich hätte das als nicht so schön in Erinnerung. 10 Leute die im Bild rumstehen, eine gewisse Lautstärke mitbringen,... Brauch ich nicht zwingend. Was das angeht war Michigan im Winter recht perfekt :smile2:.

    Naja, im Weg rumstehen würde mir auch weniger gefallen ;) etwas Lautstärke ginge noch ;)

  • Naja, im Weg rumstehen würde mir auch weniger gefallen ;) etwas Lautstärke ginge noch ;)


    Auch das muss zu dieser Uhrzeit noch nicht sein, zu etwas späterer Stunde werde ich da dann etwas leidensfähiger :smile:.


    Aber nicht viel :smile2:


    Tolle Winterlandschaft - und die Begegnung mit Lori ist ja echt ein Volltreffer. :)


    Lori war schon herzallerliebst, ohne Frage!


    Winterwonderland


    Aber was für eins!


    Bzgl Menschen bin ich eher bei Tobi.... Die Eindrücke sind faszinierend, aber die Reise hätte ich nicht machen wollen. Zuviele Hindernisse....


    Ich hatte diesen Reiseabschnitt von Anfang an auch bewusst als Solo-Reise konzipiert, denn hier wusste ich genau, dass das was ich vorhabe in der breiten Masse nicht wirklich etwas ist, wofür man Urlaub nehmen würde. War für mich natürlich auch klasse, weil so konnte ich natürlich auch tun und lassen was ich wollte.


    Was für eine tolle Begegnung mit Lori, das gibt’s nur in USA


    Und die Schneemassen erinnern mich an einen Urlaub im Allgäu in meiner Kindheit, als ich hüfthoch im Schnee versunken bin.


    Das hab ich im Harz auch mal geschafft. Ich wollte als Kind eigentlich nur mal die "Minitannen" anschauen, die sich als reguläre Tannen in einem Meter Schnee stehend herausstellten. Mir ist auf dem Rückweg zum Auto die nasse Hose gefroren :smile2:.

  • das ist genau mein Wetter!!

    Schnee, Eis, Kälte, herrlich!!

    Und Schneeschuhlaufen macht alles noch besser, das macht so Spass


    Mein Wetter ist das aber wirklich nur wenn Schnee liegt und im Optimalfall etwas Sonne dazukommt. Dieses nasskalte Grau bei 2°C was hier sehr oft den Winter dominiert macht echt keinen Spaß :smile2:.


    Wie es bei und mit Lori und meinem Resttag aussieht, das kommt jetzt :smile: .

  • Ich klingele und werde von Lori und ihren beiden Hunden Bugs und Bogart empfangen, die Hundedamen sind Viszlas und superlieb.


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    Fun Fact: Der deutsche Name für Viszla Dog ist laut Google „ungarischer Vorstehhund“, bei manchen Rassebezeichnungen frage ich mich echt… :smile:

    Wir gehen hinauf ins Wohnzimmer und Oh mein Gott ist das gemütlich hier drin. So habe ich mir Chalets in den Bergen immer vorgestellt. Die Wohnzimmerwände sind komplett aus Holzstämmen gefertigt und in der Mitte steht ein überdimensionierter Kamin, der mit Natursteinen verkleidet ist. Durch die riesigen Fenster im Giebel hat man nicht nur eine gigantische Deckenhöhe sondern auch fantastisch viel Licht und nur Minuten später stehen dampfend heiße Kaffeetassen auf dem Massivholztisch im Wohnzimmer. Dazu gibt es köstliches selbstgebackenes Bananenbrot und dann haben wir uns völlig verquatscht, mittlerweile ist auch Loris Mann Leo nach Hause gekommen und aus einem Kaffee wird schließlich ein ausgewachsenes Gespräch.

    Im Endeffekt plaudern wir am Ende dreieinhalb Stunden über Sprache, Gewohnheiten, die Unterschiede zwischen Amerikanern und Europäern, Baustilen und Bauweisen, Karrierechancen in Detroit und auf dem Land in Michigan, die amerikanische Autoindustrie, Bananenbrotrezepte und alles was einem sonst so in den Kopf kommt.

    Ich selbst war sehr überrascht, dass mein Kopf auch stundenlange Konversationen auf Englisch mühelos durchhält, ich dachte immer, dass man früher oder später wieder „zurück in die Muttersprache“ will.

    Im Laufe des Gesprächs führt Lori dann noch an, dass ich mich nicht zu sehr ärgern soll. Die Bilder, die mich hier hergelockt haben, sind zwar gut gemacht, aber an der Farbintensität des Eises wurde definitiv gedreht. Daher bin ich am Ende wahrscheinlich sogar froh nicht gegangen zu sein, vielleicht wäre ich von der Realität enttäuscht worden und wenn man es ganz genau sieht habe ich ja Eis an der Sandsteinklippe zumindest im Kleinen bereits gestern gesehen und der Loop wird noch einmal bei Wärme und Sonnenschein gelaufen, dann auch gern mit Kaffeeabstecher, ist ja direkt auf der Zufahrtsstraße.

    Schließlich ist es dann doch Zeit zu gehen, ich will ja nicht der „ewige Besuch“ bleiben und verabschiede mich. Lori gibt mir noch ihre E-Mailadresse und empfiehlt mir die Wagner Falls zu besuchen so lange es noch hell ist. Anschließend machen wir noch ein Foto zusammen und dann steige ich wieder in meinen Wagen.


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    Mittlerweile ist der Himmel strahlend blau und die Sonne knallt nur so herunter. Im Radio läuft „Two Tickets to Paradise“, doch die habe ich gerade gar nicht nötig so paradiesisch wie es hier aussieht.


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    Alle Bilder bis hier stammen übrigens noch aus Loris Ausfahrt :smile:. So viel Zufahrt könnte mir auch gefallen.


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    Auf dem Weg zurück nach Munising beginnt die Sonne den Himmel schon leicht zu verfärben, durch die Wolkenschicht, die sich vor der Sonne ein wenig verfangen hat sieht das bombastisch aus. Leider verschwand sie kurz darauf wieder hinter dickeren Wolken, sodass die Farbenpracht dann doch nur von kurzer Dauer war.

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    Danach hieß es nur noch einmal kurz durch Munising


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    und wenige Minuten später kam ich dann an den Wagner Falls an.


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  • Außer mir ist hier nur ein Auto anzutreffen und die Sonne schien bereits wieder unter den Wolken durch. Ich zog mir schnell eine Jacke an und stiefelte los. Der Einstieg auf den Trail befindet sich in einer idyllischen Kurve und selbiger ist zum Glück bereits von Locals zu einem Trampelpfad ausgetreten wurden.


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    Man sinkt allerdings immer noch recht tief ein.


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    Durch einen hübsch verschneiten Wald folgt man einem Flusslauf und kommt bereits nach relativ kurzer Zeit an den Wagner Falls an.


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    Nachdem mein erfolgloser Hike ja doch schon einige Stunden zurückliegt finde ich den vielen Schnee auch wieder wundervoll. Im Gegensatz zu den Munising Falls sind die Fälle hier eher klein und sehr filigran anzusehen. Auf der Aussichtsplattform am Ende des Weges traf ich dann das junge Paar aus dem anderen Auto. Das kann man auch wortwörtlich nehmen, die Plattform hier ist durch einen abgestürzten Ast so klein, dass wir wirklich fast Körperkontakt haben, daher warte ich erst einmal unten. Während Er sich fotografieren lässt hat Sie auch eine DSLR um den Hals hängen und gab mir noch einen Tipp für den besten Fotostandort ehe wir uns verabschiedeten und jeder seiner Wege ging. Ich bin also wieder allein und kann mich fotografisch austoben.


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    Nach ungefähr einer viertel Stunde laufe ich dann wieder zurück zum Parkplatz.


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    Die Sonne scheint nicht bis hier runter in den dichten Wald und daher wird es relativ schnell relativ kalt, doch mein immer noch restwarmer GMC steht ja am Trailhead und kann mich recht schnell wieder aufwärmen.


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  • Mit den letzten Sonnenstrahlen fahre ich zurück nach Munising. Ich würde ja sagen, dass mich der Hunger ruft, aber das wäre gelogen. Einerseits habe ich ja gerade erst bei Leo und Lori gegessen, andererseits will ich mich auch nicht mit der dicken zwanziglagigen Winterkleidung in einem Restaurant einen Hitzetod sterben :smile: .

    Nach Downtown geht es dennoch, einen Punkt habe ich noch offen, nämlich den örtlichen Souvenirladen. Nicht weil ich etwas kaufen will, nein, ich weiß um ehrlich zu sein nicht mal ob geöffnet ist, sondern viel eher wegen des Namens. Michigan, wie so ziemlich alle nördlichen Bundesstaaten der USA, wurde in der Vergangenheit oft die neue Heimat von ausgewanderten Deutschen und das sieht man hier nicht nur in der Benamung von Orten, nein auch Gebäude werden ganz gern mal eingedeutscht.

    Wenn man nun aber mittels des englischen Begriffes zeigen will was verkauft wird und mit einem deutschen Namen ein wenig Heritage hineinbringen mag, dann kann das wie überall auf der Welt zu recht skurrilen Wortkombinationen führen, so auch hier.

    Darf ich vorstellen: Das Gift Haus :smile:.


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    Ich mache noch ein paar weitere Fotos des verschneiten Ortskerns


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    und fahre dann in mein Holiday Inn.


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    Auf dem Parkplatz dann noch ein weiteres Marshallfoto, im Sonnenuntergang kann ich einfach nicht anders!


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    An der Rezeption melde ich mich artig zurück, möchte ja keinen sündhaft teuren Rettungseinsatz auslösen, plaudere noch ein wenig mit dem Rezeptionisten und gehe mich dann auf dem Zimmer umziehen.

    Mein Zwiebellook hat seinen Härtetest ohne Zweifel bestanden, aber ich bin tatsächlich froh wieder in normale Winterklamotten schlüpfen zu können. Gleichzeitig lässt meine Lust noch einmal loszufahren stark nach und so besteht mein Abendessen einen weiteren Tag nur aus einer Familienpackung Cookies, ein paar Müsliriegeln und einer Cola.

    Bis zum Anbruch der Dunkelheit packe ich schon einmal provisorisch meinen Koffer zusammen und gehe danach wieder raus zum Auto. "Moment, hast du nicht gerade gesagt du hast keinen Bock mehr wegzufahren?"

    Darauf zwei Worte: Aurora Borealis.

    Die soll heute prächtig über Michigan stehen und wäre für mich ein absolutes Novum. Schon sehr lang ist es ein Traum von mir einmal in meinem Leben Nordlichter zu sehen und eigentlich wollte ich dafür einmal nach Island oder Skandinavien fahren. Umso überraschter, aber auch erfreuter war ich dann, dass diese auch hier im nördlichen Michigan gut sichtbar sein können. Ich betrieb eine ganze Menge Recherche, trat der "Michigan Aurora Hunters" Facebookgruppe bei und suchte bei Google Maps nach Straßenabschnitten ohne Lichtverschmutzung (Spoiler Alert: Hier gibt es sowieso kaum Lichtverschmutzung, daher hab ich die alle über den Haufen geworfen). Außerdem habe ich mir für die Nachtfotografie ein neues Objektiv zugelegt (vielen Dank noch mal an Stefan der mich "überredet" hat Geld auszugeben und in Qualität zu investieren. Das allerdings weniger mit Worten als mit Testbildern :smile:.

    So kam kurz vor dem Urlaub noch ein Samyang 16mm f2.0 aus Polen zu mir geflogen. Zwar vollkommen manuell - was übrigens der Hauptgrund meines Zögerns war - aber die Abbildungsleistung war überall hochgelobt und ganz ehrlich, bei der Nachtfotografie muss man eh mit MF arbeiten und das ist eigentlich das einzige Einsatzgebiet, dass ich für die Linse habe. Da der Preis für eine solche Abbildungsqualität auch noch sehr heiß war musste ich einfach zuschlagen und ich will nicht zu viel verraten, aber ich bin nicht das einzige Forenmitglied, dass ebenfalls zum Geldausgeben genötigt wurde *hust* stimmts lunchen *hust* :smile:

    Aber zurück nach Munising:

    Auf der Website der Universität Alaska wurde für heute Nacht Kp5 vorausgesagt und das Wetter sieht zwar nicht perfekt aus, aber die Wolken halten sich in Grenzen. Nix wie los.

    Um viertel zehn schwang ich mich bei gemütlichen acht Grad Fahrenheit in meinen GMC und fuhr runter zum Fährhafen. Der bläuliche Lichtkegel meiner Xenonscheinwerfer schnitt sich scharf durch den tiefschwarzen Wald bis ich am Wasser den Motor stoppte und in der völligen Dunkelheit stand.


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    Ich stieg aus dem Auto aus und stapfte durch den knarzenden Schnee in Richtung See bis ich einen Punkt fand der mir zusagte. An diesen Punkt fuhr ich dann das Auto, baute das Stativ auf, stellte die Kamera ein und wartete....und wartete....und wartete....

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    Nicht nur, dass ich mit bloßem Auge nichts sah, auch die Testbilder waren eher ernüchternd und das Problem am Winter ist, dass man nach spätestens 15 Minuten stillstehen absolut keinen Bock mehr hat sich den Arsch abzufrieren.

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    Ich ließ die Kamera also draußen stehen und wartete im Auto, doch auch das wurde schneller kalt als mir lieb war und da ich wirklich absolute Dunkelheit haben wollte blieb auch die Zündung aus.

    War das ein Knacken? Aber da doch jetzt ein Schatten!

    Ja, ich stellte recht schnell fest, dass ich hier ganz allein, am Arsch der Welt und in der völligen Dunkelheit war, astreines Axtmörderterretorium und genau diese Feststellung animierte meinen Körper sämtliche Folgen von Aktenzeichen XY, Cold Case und Konsorten in meinem Kopf abzuspielen. Absolut hirnrissig, aber man kann sich sowas ja auch einreden.

    Da immer noch nichts von der Aurora zu sehen war packte ich das Stativ samt Kamera also erst einmal auf den umgeklappten Beifahrersitz und startete den Motor um mich aufzuwärmen, aber wohl fühlte ich mich hier unten jetzt nicht mehr - danke Hirn - und trat deswegen den Rückweg an.

    Die Aurora wollte ich aber noch nicht aufgeben, daher wartete ich weiter, diesmal allerdings auf dem Wohnmobilparkplatz des Hotels, dort war es auch vergleichsweise dunkel, aber irgendwie hatte ich ein besseres Gefühl. Draußen warten wollte ich bei mittlerweile nur noch sechs Fahrenheiten aber immer noch nicht und auch die Kamera begann zu schwächeln, weshalb ich die "Ob die Aurora wohl schon da ist-Testfotos" vom Lenkrad aus machte.


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    Meinen Augen wollte ich da nicht vertrauen, schließlich hatte mich Jules vorgewarnt, dass die Aurora mit bloßem Auge nur sehr schwach sichtbar ist.

    Das Problem, dass ich auf den Testfotos aber zunehmend sah war grau und machte sich richtig unbeliebt. Es begannen nämlich langsam aber sicher Wolken über den See zu ziehen und die ließen sich auch von meiner sehr direkten Musikwahl nicht beeindrucken :smile: .


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    In der Facebookgruppe wurde mittlerweile angekündigt, dass die größte Chance auf die Aurora wahrscheinlich gegen vier Uhr nachts ist. Das war für mich das "Zeichen von oben", ich fuhr mein Auto 100m weiter auf den regulären Parkplatz, entspannte noch mit einer sehr heißen Dusche und ging dann gegen 22:15 ins Bett, nicht ohne den Wecker auf 3:45 zu stellen.

    Ob ich dadurch die Aurora sehen oder nur Schlafmangel des Todes haben werde, dazu demnächst mehr auf diesem Kanal.


    Fahrdaten des Tages:


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