Über den Highway 23 und die Interstate 96 komme ich Detroit immer näher.
Was nach einer halben Woche in der „Wildnis“ auffällt ist, dass der Verkehr immer mehr zunimmt je näher wir der Stadt kommen. Außerdem haben hier alle den Need for Speed, jedes Mal wenn ich zum Überholen auf die linke Spur wechsle muss ich das Gaspedal bis zum Bodenblech durchdrücken um mit dem kleinen Terrain überhaupt eine Chance zu haben rauszuziehen und nicht den Hass von 50 Detroiter Autofahrern auf mich zu ziehen. Zugegebenermaßen macht das aber irgendwie Spaß und so passe ich mich schon bald dem Verkehrsfluss an. Erlaubt sind hier 70, doch schon die Langsamsten Autos sind mit knappen 90 unterwegs. Dieser Unterschied kommt mir schon relativ groß vor, also google ich abends im Hotel und finde folgendes Statement:
„On I-96 near Milford, for example, 85 percent of drivers exceed the speed limit.“
Keine Ahnung ob dieser Abschnitt ein besonderer “lawless place” ist, aber man will ja kein Verkehrshindernis sein .
Nach ungefähr eineinhalb Stunden komme ich dann schließlich in Dearborn an.
Die Müsliriegel sind verdaut, ich habe Hunger auf Fleisch, viel Fleisch, und wo bekommt man das?
Ford’s Garage in Dearborn und genau dort rollt mein Terrain in diesem Moment auf den Parkplatz.
Ich bekomme schnell einen Tisch und bestelle ohne in die Karte zu schauen den Signature Burger, das Model T gab es schließlich auch nur in einer Farbe . Apropos Model T, so eins hängt hier über der Bar und auch der Rest der Einrichtung ist an die Anfänge des amerikanischen Individualverkehrs angepasst. So verbringe ich die Wartezeit auf meinen Burger damit ein wenig durchs Lokal zu streifen und zu fotografieren.
Sehr cool finde ich insbesondere die Toiletten, die Pissoires sind alten Ölfässern Bierfässern nachempfunden, die Waschbecken aus Reifen und die Armaturen aus Zapfpistolen, ich bin überwältigt von so viel Liebe zum Detail und bevor jemand fragt, ja, ich war zum Zeitpunkt des Fotos alleine im Raum .
Als ich zurück an meinen Tisch komme wird mir schon der Burger serviert und er schmeckt einfach himmlisch. Wer auch immer der Erfinder von Bacon auf einem Burger ist dem sei gedankt.
Falls jemand von euch wissen will was noch so drauf war, ich hab mir dann doch noch einmal eine Karte geben lassen.
Zurück zum Parkplatz rolle ich dann, jetzt weiß ich auch warum alle Welt einen SUV mit hohem Einstieg kauft, es gibt nichts Besseres wenn man vollgefressen aus einem Restaurant kommt und nicht mehr in den Sitz fallen muss.
Zum Glück kann ich jetzt erst einmal ein paar Minuten einfach unbeweglich im Auto verharren. Ich fahre an den Proving Grounds der Ford Motor Company vorbei, die sind natürlich mit einer hohen Mauer abgeschirmt also bekomme ich nichts von den Neuerscheinungen mit, und komme kurze Zeit später am „The Henry Ford“ an. Mittlerweile hat es sich ganz schön zugezogen, aber ab jetzt bleibe ich sowieso erst einmal eine Weile in geschlossenen Gebäuden.
Was ist eigentlich „The Henry Ford“?
Im Prinzip ein Museum zur amerikanischen Geschichte, natürlich auch bezogen auf die Mobilisierung durch Autos, Bahn und Luftfahrt, aber es geht weit über das hinaus. Mathematisch-technische Zusammenhänge, bahnbrechende Erfindungen, Zukunftsvisionen und Rückblicke und vieles mehr, dazu kann man dann Addons buchen wie zum Beispiel Eintritt in die Automotive Hall of Fame oder eine Factory Tour in Ford Rouge Plant hier in Detroit.
Ich hatte ein Kombiticket für das Henry Ford Museum of American Innovation und die Werksführung und heute ist Letztere dran.
Ich stelle meinen Wagen auf dem riesigen Parkplatz ab, schnappe meine Jacke und die Tickets und betrete den riesigen Klinkerbau. Da ich meine Karten schon im Voraus gekauft habe kann ich gleich bis zu den Shuttlebussen durchgehen, nein es wird eher ein Sprint, da ebendieser gerade im Begriff ist loszufahren. Mittels kurzem Usain Bolt Gedächtnislauf erwische ich ihn gerade noch so und lasse mich die nächsten 20 Minuten zum Werksgelände kutschieren.
Auf dem Weg also ein paar Worte zum Gebäude selbst, zwischen 1917 und 1928 erbaut erstreckt sich das Werk über eine Fläche von 1,5km², hat einen eigenen Hafen, ein eigenes Kraftwerk und ein eigenes Stahlwerk, dazu 160km Schienennetz auf dem Gelände. Produziert wird hier nichts geringeres als das meistverkaufte Fahrzeug der USA – der Ford F150 Pick-Up Truck und davon rollen hier täglich 1200 Stück aus den Werkstoren.
Leider darf man hier drin – aufgrund der möglichen Industriespionage verständlicherweise – nicht fotografieren, deshalb halte ich den Abschnitt mal kurz. Es ist immer wieder der Wahnsinn Roboter und Menschen so Hand in Hand arbeiten zu sehen und schrittweise mit anzusehen wie aus einem Metallrahmen einmal ein ganzes Auto entsteht. Dabei läuft man auf einem oberirdischen Korridor oberhalb der Produktionsanlage entlang und kann an verschiedenen Stationen anhalten und die Produktion ansehen, an einigen davon stehen auch Mitarbeiter und beantworten Fragen. Ich fand es auf jeden Fall megainteressant, doch diese Touren sind auch für nichtinteressierte nicht uninteressant, Mama ist zum Beispiel heute noch von der BMW Werksführung in Leipzig begeistert.
Ansonsten gibt es hier natürlich auch noch alles was das Museumsherz begehrt, Informationsvideos zur Geschichte des Werks, eine Art 4D-Kino und einen Aussichtsturm von dem aus man im Sommer die begrünten Dächer der Anlage bewundern kann, jetzt im Winter sieht das eher trostlos aus.
Auch die Infotafeln hier oben sind bestimmt schon 20 Jahre alt, auf denen sieht man immer noch den 98er F-150 in seiner vollen 90s-Pracht.
Ich hab hier nur das Handy mit, aber Weitblick dass sich die DSLR gelohnt hätte ist heute eh nicht.
Ich schaue mir unten noch die Ausstellung der hier produzierten Autos an, kaufe ein paar Souvenirs und lasse ich dann zum Hauptgebäude zurückfahren.